VdK sieht Lücken im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern
Auf der Jahrespressekonferenz des Sozialverbands VdK Bayern in München nahm sich VdK-Landesvorsitzende Verena Bentele den bayerischen Koalitionsvertrag vor.
Verena Benteles Fazit: Soziale Themen spielen im Regierungsfahrplan von CSUkurz fürChristlich-Soziale Union und Freien Wählern eine untergeordnete Rolle. Der VdK fordert eine stärkere Berücksichtigung von Armutsbekämpfung, Pflege und Barrierefreiheit. Mit über 800.000 Mitgliedern allein in Bayern ist der VdK die Stimme für soziale Gerechtigkeit.
Im Koalitionsvertrag von CSUkurz fürChristlich-Soziale Union und Freien Wählern und auch in der Regierungserklärung von Ministerpräsident Markus Söder ist oft vom Glück die Rede, das in Bayern zu Hause sei. VdK-Landesvorsitzende Verena Bentele setzt dem entgegen: „Das Leben im Freistaat wird für viele Menschen auch in den kommenden fünf Jahren nicht weiß-blau und heiter sein. Dagegen sprechen einige Fakten.“
Bayern hat zum Beispiel mit 21,8 Prozent die höchste Altersarmutsgefährdungsquote aller Bundesländer. Bei den Frauen über 65 Jahren sind es sogar 24,5 Prozent. Seit 2007 steigen diese Zahlen stark an. Bentele kritisierte die maßgeblich von der CSUkurz fürChristlich-Soziale Union geführte aktuelle Bürgergelddebatte: „Wenn es um die Beurteilung armer Menschen geht, sendet die wiedergewählte Staatsregierung eher Zeichen der Herablassung und weniger der Hilfsbereitschaft aus. Menschen, die Bürgergeld beziehen, erleben stärker als anderswo ein grundsätzliches Misstrauen.“
Arbeit und Armut in Bayern
Dem Vorwurf der „Leistungsfeindlichkeit“ dieser Sozialleistung widerspricht Bentele: „Auch ich unterschreibe den Satz ‚Arbeit muss sich lohnen‘ jederzeit, aber beim VdK bedeutet dieser Satz etwas grundsätzlich anderes. Arbeit lohnt sich dann, wenn sie ordentlich bezahlt wird. Es ist angesichts von 1,1 Millionen Niedriglohn-Beschäftigungsverhältnissen im Freistaat unverständlich, dass sich Bayern immer noch gegen ein Tariftreuegesetz stellt. Eine tarifliche Bezahlung ist die stärkste Garantie für einen guten Lohn und damit für eine wirksame Prävention gegen Altersarmut. Und selbst eine Arbeit zum Mindestlohn garantiert ein höheres Einkommen als der Bezug von Bürgergeld, auch wenn immer wieder etwas anderes behauptet wird.“
Bentele vermisst bei der Staatsregierung die sachliche Auseinandersetzung mit sozialen Themen: „Im Koalitionsvertrag wird Armut in wenigen Sätzen abgehandelt. Die einzig konkrete Gegenmaßnahme soll die finanzielle Unterstützung von Tafeln, Tischen und Bahnhofsmissionen in Bayern sein. Dafür stelle ich der Staatsregierung ein echtes Armutszeugnis aus. Die Menschen an ehrenamtliche Einrichtungen zu verweisen, statt sie aus ihrer Armutssituation zu befreien, sendet genau eine Botschaft: ‚Dieser Staat hat euch aufgegeben. Holt euch eure Almosen ab.‘ Das ist keine strukturelle Armutsbekämpfung.“
Kein Fortschritt für die Nächstenpflege
Weitere zentrale sozialpolitische Themen, die eine älter werdende Bevölkerung im Blick hätten, wie Pflege von Angehörigen oder Barrierefreiheit, werden im Koalitionsvertrag bestenfalls gestreift. „Die Förderung von Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflegeplätzen ist kein Thema. Das Wort ‚Pflegestützpunkt‘ sucht man vergeblich. Wenn wir Pech haben, werden also wieder fünf Jahre ins Land ziehen, die der Nächstenpflege keinen echten Fortschritt in Bayern bringen werden. Das ist schade, zumal der ehemalige Pflegeminister Klaus Holetschek uns gegenüber dem Thema eigentlich aufgeschlossen schien“, bedauerte Bentele.
VdK-Erfolge zur Inklusion
Zwei wichtige VdK-Forderungen zur Inklusion haben es jedoch in den Koalitionsvertrag geschafft: Ein bayerisches Gehörlosengeld soll eingeführt und eine zentrale bayerische Fachstelle für Barrierefreiheit soll eingerichtet werden.
„Der VdK Bayern sieht noch viele Themen, zu denen wir sicher mit der Staatsregierung in den kritisch-konstruktiven Dialog treten müssen“, erklärte Bentele: „Der VdK als größter Sozialverband in Deutschland und hier in Bayern ist so nötig wie noch nie als soziales Korrektiv. Auf Kosten der Ärmsten Haushaltslöcher zu stopfen und Menschen in sozialen Notlagen zu diffamieren, ist mit dem VdK nicht zu machen.“
Mehr als 800.000 VdK-Mitglieder in Bayern
VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder stellte die Leistungsbilanz des VdK Bayern für das Jahr 2023 vor. „Der öffentlichkeitswirksame Einsatz von Verena Bentele für den VdK gegen die soziale Spaltung wird von immer mehr Menschen honoriert“, sagte er mit Blick auf die steigenden VdK-Mitgliederzahlen. Am 9. Oktober knackte der VdK Bayern die 800.000er Marke.
Seit dem Jahr 2000 hat sich die Mitgliederzahl verdoppelt. Allein seit 2019 verzeichnete der VdK einen Nettozuwachs von 100.000 Mitgliedern. Die Sozialrechtsberatung wird als VdK-Kerndienstleistung besonders geschätzt. „Die Themen der Mitglieder in den Geschäftsstellen spiegeln sich in unseren sozialpolitischen Forderungen wider. Es geht um Rente, soziale Absicherung, Pflege, Behinderung und Gesundheit. Diese Themen treiben die Menschen um, darum kümmert sich der VdK“, erklärte Pausder.
VdK erstreitet 119 Millionen Euro Nachzahlungen
Nicht nur bei der Mitgliederentwicklung, auch in der Bilanz der Sozialrechtsberatung 2023 kann Pausder einen neuen Rekord vermelden: „Innerhalb der letzten zwölf Monate konnten wir Nachzahlungen in Höhe von sagenhaften 119 Millionen Euro im Rahmen von sozialrechtlichen Auseinandersetzungen erzielen und haben damit erstmals die 100-Millionen-Euro-Marke überschritten. Dieses Geld kommt komplett unseren Mitgliedern zugute. Die hohen Nachzahlungen beweisen, wie sehr es sich lohnt, den VdK bei Antrags- und Widerspruchsverfahren einzuschalten. Und das bei einem sehr moderaten VdK-Mitgliedsbeitrag von 7 Euro im Monat.“
Pausder hob die Schlagkraft des Sozialverbands hervor: „Wir ermuntern unsere Ehrenamtlichen, wichtige VdK-Themen überall in den bayerischen Kommunen zu platzieren. Mit unserem Einsatz für soziale Gerechtigkeit, für Solidarität und Mitmenschlichkeit auf allen Verbandsstufen stärken wir das soziale Bayern.“