Kategorie Armut & Umverteilung

„Arm wird durch unsere Forderungen niemand“

Von: Sebastian Heise

Stefanie Bremer gehört zur Gruppe taxmenow („Besteuere mich jetzt“). Ihre Mitglieder sind Millionenerbinnen und -erben, die sich für ein gerechteres Steuersystem einsetzen. Die VdK-ZEITUNG sprach mit ihr über Kritik am bestehenden System.

Das Foto zeigt Stefanie Bremer. Sie sitzt auf einem Baumstamm und lächelt in die Kamera.
Unter dem Pseudonym Stefanie Bremer engagiert sich die 32-jährige Württembergerin für die Organisation taxmenow. © Matthias Ziegler

Sie kritisieren unser Steuersystem als ungerecht. Was sind Beispiele dafür?

Im Erbschaftssteuergesetz gibt es die Regelung: Wenn jemand drei Wohnungen erbt, zahlt er darauf die volle Erbschaftssteuer. Wenn man dagegen 300 Wohnungen erbt, dann wertet das Finanzamt dies automatisch als Immobilienunternehmen, und stuft es als Betriebsvermögen ein, und das Erbe unterliegt nur zu einem Bruchteil der Erbschaftssteuer. Ein anderes Beispiel ist das Strafgeld für einen verurteilten VW-Manager, das der Konzern gezahlt hat und dies als Betriebsausgabe steuerlich geltend machen konnte.

Warum gibt es solche Regeln, die Reiche steuerlich begünstigen?

Es gibt in dem Bereich enorme Lobbyarbeit. Wir sind als Gesellschaft leider sehr auf finanziellen Gewinn aus. Gegenseitige Wertschätzung läuft über unsere finanzielle Situation. Das widerspricht komplett dem, was man unter Gemeinwohl versteht. Aber leider scheint im Moment kaum jemand in der Politik den Willen zu haben, das zu ändern.

Von Seiten der Unternehmer, in Form der Arbeitgeberverbände, kommt ja immer wieder das Argument, höhere Steuern gefährdeten Arbeitsplätze.

Das Problem ist, dass dieses Arbeitsplatzargument zieht, ob es stimmt oder nicht, gerade auch weil wir in einer Zeit von immer größerer Unsicherheit leben. Wir können uns nicht mehr sicher sein, dass wir den Job, den wir einmal mit 18 gelernt haben, ein Leben lang behalten. Wir haben Konflikte, den Klimawandel, Corona, und dann klammern wir uns an jedes bisschen Sicherheit. Und eine sichere Arbeitsstelle ist natürlich etwas, das uns Halt gibt. Und dann kommt uns das Argument mit dem Stellenabbau bedrohlich vor.

Haben Sie ein Argument, das Sie dem entgegensetzen können?

An die Unternehmen gerichtet sage ich: „Solange ihr Gewinne ausschütten könnt, könnt ihr damit auch Arbeitsplätze finanzieren. Bitte hinterfragt doch mal die Prämisse, dass ein Unternehmen seinen Eigentümern immer massiven Gewinn einbringen muss.“ Kann es nicht auch ein Gewinn sein, in einer gesunden Gesellschaft zu leben, mit Produkten, die wir tatsächlich brauchen? Ich würde mir aber auch einen Staat wünschen, der sich klar positioniert und sagt: „Wir können einerseits selbst Arbeitsplätze schaffen. Darüber hinaus können wir Rahmenbedingungen herstellen, damit privatwirtschaftliche Unternehmen Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Wir dürfen uns nicht erpressbar machen durch große Unternehmen. Das tut uns als Gesellschaft nicht gut.“

Was sagen Sie zum Argument, das sei eine Neiddebatte?

Das ist ein Argument, das immer wieder gebracht wird, was natürlich schlechte Gefühle schürt. Damit werden alle diejenigen, die höhere Steuern für Vermögende fordern, in eine schlechte Ecke geschoben, und damit verliert eine solche Forderung, ob sie richtig ist oder nicht, ihre Bedeutung. Ich persönlich habe noch keinen Menschen getroffen, der neidisch auf mich war. Ich habe aber viele Menschen getroffen, die sagen: „Ich brauche Hilfe für meinen Lebensunterhalt. Ich kann aus meiner eigenen Arbeit, mit meinem Fleiß, das nicht schaffen.“ Da lassen wir Menschen im System im Stich, und das kann nicht sein.

Superreiche könnten doch auch freiwillig mehr Steuern zahlen?

Freiwilligkeit funktioniert nicht. Auf das Schuldentilgungskonto des Bundes zahlt so gut wie niemand ein. Und ein Staat und seine Gesellschaft dürfen auch nicht vom Wohlwollen der Reichen abhängig sein.

Auf Ihrer Webseite taxmenow.eu haben Sie eine Petition für eine höhere Besteuerung von Superreichen gestartet. Mehr als 80.000 Unterschriften haben Sie bereits. Wer wäre denn von Ihren Forderungen betroffen?

Es geht um eine Minderheit von etwa 51.000 Haushalten. Falls der Staat ihnen bestimmte Steuerprivilegien streichen würde, brächte dies jährlich Steuermehreinnahmen von vorsichtig geschätzt etwa 80 Milliarden Euro. Arm wird davon aber niemand.