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Hilft Bürgergeld bedürftigen Familien?

Von: Elisabeth Antritter

Mehr als 393 000 Kinder und Jugendliche in Bayern waren 2022 armutsgefährdet. Doch helfen Instrumente wie das Bürgergeld den betroffenen Familien wirklich weiter? 

Foto von VdK-Präsidentin Verena Bentele (links) in der Katholischen Akademie in Bayern , Dr. Charlotte Bartels vom DIW Berlin (Mitte) und Prof. Dr. Hermann Sollfrank, Direktor des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising.
VdK-Präsidentin Verena Bentele (links) verteidigte in der Katholischen Akademie in Bayern das Bürgergeld, weil es Kinder aus armen Familien unterstützt. Weitere Gäste waren Dr. Charlotte Bartels vom DIW Berlin (Mitte) und Prof. Dr. Hermann Sollfrank, Direktor des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising. © Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e.V.

„In München zu leben, wird immer teurer. Es gibt eine große Preissteigerung etwa bei Lebensmitteln, Energie und Mieten. Deshalb ist die Bürgergelderhöhung berechtigt“, erklärte Verena Bentele. Politischen Vertreterinnen und Vertretern, die wichtige Sozialleistungen in aktuellen Debatten in Frage stellen, hält die VdK-Präsidentin entgegen, dass sich Kinder und Jugendliche nun einmal nicht selbst aus der Armut befreien können.

Ein großes Problem ist ihrer Ansicht nach auch der Niedriglohnsektor. „Viele Menschen arbeiten und verdienen trotzdem weniger als die für eine Rente oberhalb der Grundsicherung nötigen 14 Euro pro Stunde. Oft müssen Betroffene ihren Lebensunterhalt mit staatlicher Hilfe aufstocken“, so Bentele.

Anette Farrenkopf, Geschäftsführerin der Jobcenter München, ist überzeugt, dass Arbeit für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wichtig ist. Darum möchten die Münchner Jobcenter Menschen, die Bürgergeld beziehen, motivieren und darin unterstützen, wieder einen Job aufzunehmen. So sind individuelle Coachings eine gutes Instrument, damit Arbeitssuchende sich leichter in den Arbeitsmarkt integrieren. Außerdem werden durch Umschulungen und Weiterbildungen Arbeitsanreize gesetzt. 

Bruder Paulus Terwitte vom Kapuzinerkloster St. Anton in Frankfurt ist der Meinung, dass sich jeder mit seinen Fähigkeiten in der Gesellschaft einbringen und etwas produzieren möchte. Daher fordert er, Arbeitsplätze zu schaffen, in denen sich Menschen selbst verwirklichen und gleichzeitig damit Geld verdienen können.

Pro Sozialstaat

Prof. Dr. Hermann Sollfrank, Direktor des Caritasverbands der Erzdiözese München und Freising, betonte, dass Sozialpolitik keine Randpolitik ist. Es ist wichtig, sich mit Armut zu befassen, denn sie kann jeden treffen. Was ihn besorgt, ist, dass Maßnahmen zur Bekämpfung sozialer Ungleichheit immer weniger auf Akzeptanz stoßen. „Wer den Sozialstaat zur Disposition stellt, stellt auch die Verfassung zur Disposition“, warnte er.

Verena Bentele stimmte ihrem Vorredner zu, dass sich der Ton verschärft hat. Auch sie brach eine Lanze für den Sozialstaat: „Er ist besser als sein Ruf. Eine wichtige Aufgabe für die Zukunft ist, Steuerhinterziehung zu bekämpfen.“

Die Runde auf dem Podium sprach ein besorgniserregendes Ergebnis der OECD zum Thema sozialer Aufstieg an: In Deutschland braucht es sechs Generationen, das sind mehr als 150 Jahre, um Armut zu durchbrechen. Kinder, die in Armut aufwachsen, müssen daher besonders in den Fokus der Sozialpolitik rücken, denn sie verdienen oft später kaum mehr als ihre Eltern.

Dr. Charlotte Bartels vom DIW Berlin befürwortet die Idee eines Grunderbes, bei der jedes Kind vom Staat 20000 Euro bekommt. Das würde die ungleiche Verteilung von Erbschaften sozial ausgleichen. Der Betrag könnte etwa für Bildung eingesetzt werden. 

Das Resümee lautete, dass die Instrumente zur Armutsbekämpfung noch zu kompliziert sind. Denn wer einen Antrag auf Bürgergeld oder Wohngeld stellt, stößt auf bürokratische Hürden. Darin waren sich alle auf dem Podium einig. Das bestehende System muss einfacher und transparenter werden, forderten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.