Im Dart ist alles möglich
Eine Scheibe mit 20 Zahlen, drei Pfeile und Geschick – mehr braucht es nicht. Dartspielen können auch Menschen mit Behinderung lernen. Das Paradart Team Germany möchte die Sportart in Deutschland fördern.
Simon Östreicher hat 2017 mit dem Dartspielen angefangen. Die Pfeile wirft er mit der rechten Hand. Seine linke Körperhälfte kann der 39-Jährige aufgrund eines Geburtstraumas nur eingeschränkt bewegen. 2018 startete er einen YouTube-Kanal, auf dem er die Sportart erklärt. Für ihn ist Dart ein inklusiver Sport. „Es ist völlig egal, wer am Board steht oder sitzt“, betont er. „Wer zuerst auf Null spielt, gewinnt. Dart diskriminiert nicht.“
Paradart: eine internationale Sportart
Sein Aha-Erlebnis hatte er im September 2018, als ein junger Mann aus den Niederlanden, Cliff Ruiter, gegen den fünffachen Weltmeister Raymond van Barneveld und anschließend gegen die Nummer eins der Weltrangliste, Michael van Gerwen, gewann. „Und zwar nicht, wie man es oft im Fernsehen sieht, dass die Topsportler Menschen mit Behinderung aus Mitleid gewinnen lassen“, erzählt Östreicher. „Es war ein ganz normales Spiel, und der bis dahin unbekannte Paradarter spielte trotz seiner Einschränkung auf dem Niveau der Premier League.“
Paradart gibt es in vielen Ländern. In einigen ist es weit verbreitet, beispielsweise in den Niederlanden oder in Belgien. Regelmäßig werden Turniere abgehalten, es gibt Europa- und Weltmeisterschaften, ähnlich wie beim Dart für Menschen ohne Behinderung.
Die erste Paradart-WM fand 2019 statt. Östreicher fragte beim Deutschen Dartverband nach, ob auch eine deutsche Mannschaft teilnehmen wird. Doch das war nicht geplant. Also startete Östreicher einen Aufruf, um selbst ein Team zusammenzustellen.
Die Hürden dafür sind hoch: Jede Mannschaft besteht aus zwei Menschen im Rollstuhl und drei Paradartern mit einer anderen Behinderung, inklusive Ersatzspieler. Am Ende hatte Östreicher sogar zwei Teams angemeldet, die sich achtbar schlugen und Deutschland international auf die Paradart-Karte brachten. Das war die Geburtsstunde des Paradart Teams Germany. „Dabeisein war das Wichtigste für uns“, betont er.
Im Moment zählt der Verein rund 60 Mitglieder. Einmal im Monat wird ein Turnier ausgetragen: seit Ende der Corona-Pandemie im Wechsel entweder in einer deutschen Stadt oder online. „Menschen mit Behinderung haben oft wenig Geld und große Schwierigkeiten, irgendwohin zu kommen“, sagt Östreicher. So erhalten auch die Mitglieder eine Gelegenheit zum Spielen, die nicht verreisen können. 2023 hat der Verein die Paradart-WM im hessischen Niedernhausen veranstaltet.
Seele des Vereins ist Vize-Weltmeisterin Gaby Wehrt, Kassiererin und seit 2020 treibende Kraft im deutschen Paradart. Sie organisiert fast alles für die Mitglieder und wählt auch die Kader für WM und EM aus. Um teilnehmen zu können, ist eine sportärztliche Bescheinigung notwendig. Ab einem Grad der Behinderung von 30 kann man mitspielen. Menschen im Rollstuhl treten oft in einer anderen Kategorie an als Menschen mit einer anderen Behinderung.
Dem Paradart verschrieben
Östreicher hat sich ganz dem Paradart verschrieben. Unter anderem tüftelt er an einer Dartscheibe, die von den vorgeschriebenen 1,73 Meter Höhe für „Fußgänger“ auf die festgelegten 1,37 Meter für Rollstuhlfahrer verschoben werden kann. Dann könnten auch Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer mit Menschen ohne Behinderung miteinander spielen, ohne das Board zu wechseln. Außerdem will er ein Computerspiel entwickeln. Mit einigen seiner Projekte verdient er Geld – so auch mit einem Dartsportförderzentrum bei Augsburg. „Im Dart ist alles möglich, solange man einen Arm bewegen kann“, sagt er. „Das können bereits Vierjährige, und das geht bis ins hohe Alter.“