Kategorie VdK-Zeitung Behinderung

Inklusiv und einzigartig

Von: Sebastian Heise

Das Münchner Metropoltheater bietet Vorstellungen ohne Barrieren

Die Gebärdensprachdolmetscherinnen Sophie Blau (links) und Simone Hofmüller (rechts) agieren mit auf der Bühne und platzieren sich so neben Schauspieler Jakob Tögel und Schauspielerin Judith Toth, dass die Menschen mit Hörbehinderung allen gut folgen können. © Metropoltheater München/Claudia Göpperl

Eine gemeinsame Theatervorstellung für blinde und gehörlose Menschen sowie Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer: Ist so viel Inklusion möglich? Das Münchner Metropoltheater schafft dies und zeigt großes Kino auf der Bühne.

Minutenlanger Applaus, die meisten klatschen, einige heben die Hände nach oben und drehen diese schnell nach links und nach rechts. Die Akteure kommen immer wieder auf die Bühne und verbeugen sich. Unter ihnen sind nicht nur Schauspielerinnen und Schauspieler, sondern auch zwei Gebärdensprachdolmetscherinnen: Sophie Blau und Simone Hofmüller. Gemeinsam haben sie das gesellschaftskritische Stück „(R)Evolution“ von Yael Ronen und Dimitrij Schad auf die Bühne gebracht.

Nicht nur die gehörlosen Zuschauerinnen und Zuschauer im voll besetzten Metropoltheater in München-Freimann zeigen mit den nach oben gestreckten Händen und Fingern ihre Begeisterung, auch blinde und sehbehinderte Gäste klatschen eifrig für das Ensemble. Letztere haben Kopfhörer auf und lauschen noch immer Marion Hollerung und Aribert Mog. Die beiden haben sowohl vor als auch während der gesamten Vorstellung zwischen den Sprechpausen erklärt, wie das Bühnenbild und die Darsteller aussehen, und wer gerade was macht.

Die Bühne zum Anfassen

„Das ist Inklusion, wie man es sich wünscht“, sagt Besucher Elmar Dosch. Andere Theater bieten hin und wieder zwar auch für sehbehinderte Menschen Darbietungen mit Live-Audiodeskreption. Ins Metropoltheater kommt der Münchner jedoch besonders gern. Denn für ihn beginnt die Vorstellung hier schon vor dem ersten Vorhang. Gemeinsam mit anderen Blinden und Sehbehinderten darf er vorab auf die Bühne. Er lernt so den Aufbau kennen, darf Tische, Stühle und Kulisse anfassen. Auch die Schauspielerinnen und Schauspieler stellen sich in ihrer Rolle vor, sodass Dosch schon weiß, wen er später auf der Bühne erleben wird.

Diese besondere Einführung ins Stück leitet Thomas Flach. Er ist nicht nur stellvertretender Theaterleiter und Bühnenbildner und damit der Experte schlechthin, er hatte auch die Idee für die „All Inclusive“-Vorstellungen, wie das Metroppoltheater diese nennt. Damit versprechen Thomas Flach und Theaterleiter Jochen Schölch nicht zu viel. So bauten sie ebenfalls den Eingang und den Saal des alten Kinos so um, dass der Zugang mit Rollstuhl möglich ist. 

Marion Hollerung nennt diese Vorstellungen „einzigartig“. Das VdK-Mitglied macht Live-Audiodeskriptionen auch in anderen Theatern. Gemeinsame Aufführungen mit Gebärdensprachdolmetscherinnen wie im Metropoltheater hat sie woanders aber noch nicht erlebt. „Ich finde das ganz toll“, sagt Hollerung. 

Bei den ersten Aufführungen dieser Art standen die Gebärdensprach-Dolmetscherinnen noch am Rand der Bühne. Bei „(R)Evolution“ jedoch bewegten sie sich erstmals mit den Schauspielerinnen und Schauspielern. Simone Hofmüller hatte dies vorgeschlagen, und Regisseur Jochen Schölch ging gerne auf diesen Wunsch ein. Die Zuschauerinnen und Zuschauer mit Höreinschränkungen finden das sehr gut. So können sie gleichzeitig die Aktion der Darstellerin und die Gebärdensprache sehen. Vera Huber und ihrem Mann, beide gehörlos, hat es gefallen: „Wir lieben Theater, und so macht es Spaß!“ 

Für Paare oder Gruppen, bei denen eine oder mehrere Personen Sinneseinschränkungen haben, ist dies eine ideale Möglichkeit, Theater gemeinsam zu genießen.