Notaufnahme statt Werkstatt
Im Universitätsklinikum Augsburg arbeitet Anna Lena Bogenhauser, eine Pflegehelferin mit Down-Syndrom
Anna Lena Bogenhauser ist gelungen, was sich viele Menschen mit Behinderung wünschen: Sie hat einen unbefristeten Arbeitsvertrag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Seit acht Jahren arbeitet die 30-Jährige, die das Down-Syndrom hat, in der Notaufnahme am Universitätsklinikum Augsburg.
Etwa fünf Kilogramm wiegt eine Sauerstoffflasche, die Anna Lena Bogenhauser auffüllen muss. In jeder Hand trägt sie eine: „Ich will Arme bekommen wie der Superheld Hulk“, erklärt sie und hebt die Flaschen noch ein bisschen an, damit sie ihre Muskeln trainieren kann. Es ist Dienstagmorgen, und die junge Frau mit dem Nasenring, der schwarzen Brille und den seitlich abrasierten Haaren hat viel zu tun.
Anna Lena Bogenhauser arbeitet als Pflegehelferin. Zu ihren Aufgaben gehört es, Verbandsmaterial zu kontrollieren und nachzufüllen, Pflegebetten fertig zu machen, Essen auszuteilen und vieles mehr. Eben alles, was notwendig ist, damit Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte gut arbeiten können.
Prüfung bestanden
Der Job macht ihr großen Spaß, sagt die quirlige junge Frau. Stolz erzählt sie, dass sie in ihrer Freizeit gerne tanzt, Gitarre und Schlagzeug spielt und Heavy Metal hört. Um in der Pflege arbeiten zu können, hat sie bei den Maltesern erfolgreich einen Kurs absolviert. Von den zwölf Teilnehmenden haben nur acht die schwere Prüfung bestanden.
Der sechswöchige Lehrgang sei allerdings nicht vergleichbar mit einer einjährigen Berufsausbildung zur Pflegehelferin, bedauert ihre Mutter Sigrid Bogenhauser, die als stellvertretende Leiterin in der Notaufnahme arbeitet. Eine solche kann ihre Tochter nicht machen, weil sie keinen qualifizierenden Hauptschulabschluss hat. Zwar sind ihre Aufgaben fast die gleichen wie die einer Pflegehelferin, aber ihr Gehalt wird vom Budget für Arbeit, einer Leistung des Bundesteilhabegesetzes, mitfinanziert.
„Menschen mit Behinderung haben oft keine Chance auf eine Beschäftigung auf dem regulären Arbeitsmarkt“, stellt VdK-Präsidentin Verena Bentele fest. „Das Budget für Arbeit trägt dazu bei, dass sie eingegliedert werden können. Leider ist dieses Instrument noch viel zu wenig bekannt und wird nur selten genutzt.“
Zu ihrem Job im Klinikum kam Anna Lena Bogenhauser per Zufall: „Meine Tochter hat einen angeborenen Herzfehler und muss einmal im Jahr untersucht werden“, erinnert sich Sigrid Bogenhauser. Als 2015 wieder der Termin anstand, nahm sie die junge Frau danach einfach mit auf Station, um ihr zu zeigen, wo sie arbeitet – natürlich mit Einverständnis des Chefs. Am Abend auf der Heimfahrt leuchteten Anna Lenas Augen. „Sie fragte mich, ob sie ein Praktikum bei uns machen könnte“, so Sigrid Bogenhauser.
Bis dahin hatte sie in einer Behindertenwerkstatt gearbeitet. „Man hat gesehen, dass sie gut ist in ihrem Job“, sagt ihre Mutter. „Aber sie war nicht glücklich.“ Im Klinikum machte sie erst ein Praktikum und bekam dann mehrere befristete Arbeitsverträge. Seit vier Jahren ist ihre Stelle unbefristet.
Nachdem Anna Lena Bogenhauser die Sauerstoffflaschen aufgefüllt hat, muss ein Fixbett vorbereitet werden. „Das ist für Patienten, die betrunken und aggressiv sind oder sich etwas antun wollen“, erklärt sie. Sie nimmt die Plastikabdeckung vom Bett, bringt sorgfältig die Gurte an und schlägt sie übereinander. Dann rollt sie das Bett über den Gang. Auf einer Liste trägt sie ein, was sie schon erledigt hat. Als Nächstes steht die Kontrolle des Arteriensets an. Sie räumt eine Schublade aus und wischt sie mit Desinfektionsmittel aus. „Wenn ich mal nicht da bin, wird das gern vergessen“, sagt sie.
Geschätzt und beliebt
Sigrid Bogenhauser freut sich, dass ihre Tochter bei den Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt und beliebt ist. Das habe sie sich selbst erarbeitet. „Anna Lena ist hoch motiviert und erledigt die ihr übertragenen Aufgaben unter Anleitung einer Fachkraft weitgehend selbstständig“, bestätigt die Leiterin der Notaufnahme, Sarah Ruile. „Mit ihrer Art trägt sie zu einer offenen und aufgeschlossenen Teamkultur bei.“