Kategorie VdK-Zeitung Soziale Gerechtigkeit

Ratschen ausdrücklich erwünscht

Von: Annette Liebmann

An der Supermarktkasse in Buxheim darf geplaudert werden

Auf dem Foto sieht man Kassiererin Elli Nosha (links) hinter der Kasse einer Edeka-Filiale. Rechts im Bild sieht man eine Frau, die gerade Lebensmittel auf das Band legt.
Die meisten Kundinnen und Kunden freuen sich, persönlich angesprochen zu werden. Kassiererin Elli Nosha (links) fragt, wie es ihnen geht, was sie noch vorhaben, und wie das Wochenende war. © VdK Bayern/Annette Liebmann

Viele Menschen fühlen sich einsam. Die Betreiber des Edeka Abröll-Groiß in Buxheim bei Memmingen wollen dem etwas entgegensetzen und haben eine Ratschkasse eingerichtet. Hier kommen Kundinnen und Kunden mit der Kassiererin ins Gespräch und dürfen auch mal ihr Herz ausschütten. Das kommt gut an.

„Guten Morgen, wie geht es Ihnen?“, fragt Elli Nosha und strahlt die ältere Dame an. Diese schaut erstaunt auf, während sie in ihrem Geldbeutel kramt. Mit dieser Frage hat sie nicht gerechnet, denn hinter ihr stehen noch zwei weitere Kunden. Elli Nosha lässt sich nicht davon stören. „Was haben Sie heute vor – haben Sie die Möglichkeit, das schöne Wetter zu genießen?“, redet sie weiter. Die Kundin taut allmählich auf. Sie erzählt, dass sie mit dem Fahrrad unterwegs ist und noch weitere Besorgungen zu erledigen hat. Als sie erfährt, dass sie an einer Ratschkasse steht, freut sie sich: „Das ist ein freundliches Einkaufen – viel schöner als das schnelle und anonyme Bezahlen“, meint sie und winkt ab, als Nosha ihr das Wechselgeld geben will. „Das passt schon so.“

Die Ratschkasse in Buxheim gibt es zwar erst seit wenigen Wochen, aber der besondere Service hat sich schnell herumgesprochen. Kein Wunder: Zur Eröffnung saß der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek an der Kasse und plauderte mit den Menschen, begleitet von der örtlichen und überregionalen Presse.

„Das Sozialministerium ist auf uns zugekommen und hat gefragt, ob wir uns vorstellen können, eine Ratschkasse zu eröffnen“, erzählt Geschäftsführerin Ilka Abröll-Groiß. Es wurde eine vorläufige Laufzeit von zwölf Wochen vereinbart, dann soll es weitere Gespräche geben. „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir weitermachen werden“, sagt Abröll-Groiß. „Das entspricht unserer Idee, dass hier eine Art Marktplatz entsteht.“ Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie noch drei weitere Filialen. Das Ehepaar überlegt nun, auch dort Ratschkassen einzurichten.

Soziales Miteinander

Das Prinzip ist denkbar einfach: An vier Tagen in der Woche – Montag bis Donnerstag jeweils von 9 bis 11 Uhr – sollen die Kundinnen und Kunden mit der Kassiererin ins Gespräch kommen können, ohne auf die Uhr schauen zu müssen. „Die sozialen Kontakte, die früher im Tante-Emma-Laden üblich waren, sind in der modernen Zeit verloren gegangen. Mit der Ratschkasse wollen wir in der Region einen Beitrag für mehr soziales Miteinander und gegen die Ellbogen-Gesellschaft leisten“, betont Abröll-Groiß. „Und wenn doch einmal mehr los ist und es jemand eilig hat, können wir sofort eine zweite Kasse aufmachen.“
„Man bekommt viel mit. Vor allem Ältere fühlen sich oft einsam“, weiß Nosha, die gern an der Ratschkasse steht. „Viele kommen extra hierher, weil sie sich auch ein bisschen was von der Seele reden können. Wie neulich eine Frau, deren Mann verstorben ist, und die nun alleine lebt.“

An diesem Montagmorgen wird viel geredet. Meist geht es um das Befinden und das Wetter, den Pollenflug und den Urlaub. Auch eine Beschwerde ist darunter: „Ihr habt das Obst noch nicht ausgezeichnet“, beanstandet eine Kundin. „Das machen wir im Laufe des Vormittags“, entgegnet Nosha.

Man müsse schon einschätzen können, wer ratschen will und wer nicht, verrät die Kassiererin. Einigen sei ein Gespräch auch unangenehm. Ein älterer Herr zum Beispiel überhört die Frage, wie es ihm geht, zählt eiligst das Kleingeld ab und verlässt schnell wieder das Geschäft. Aber die meisten freuen sich, persönlich angesprochen zu werden. Darunter sind auch viele Jüngere. „Ich habe auch schon an einer Supermarktkasse gearbeitet und finde die Idee super“, betont ein Mann Ende 20. Und eine ältere Frau bringt es auf den Punkt: „Hier pressiert es nicht, hier schenkt man den Menschen Freude.“