Kategorie VdK-Zeitung Behinderung

Verzweifelter Kampf um einen Wohnheimplatz

Von: Sebastian Heise

Eltern von jungen Menschen mit Behinderung klagen über Absagen und Kündigungen – Beratungstelefon bekommt viele Anrufe

Auf dem Foto sieht man einen jungen Mann (links) und eine junge Frau (rechts) zusammen an einem Tisch sitzen.
Betreute Plätze in einem Wohnheim oder einer inklusiven WG für junge Menschen mit Behinderung sind sehr gefragt. © Aktion Mensch

Einen passenden Wohnheimplatz fürs schwerbehinderte Kind zu finden, ist für viele Eltern oft sehr schwierig. Bitter ist auch, wenn dieser plötzlich gekündigt wird. Am kostenlosen Beratungstelefon #ZITAT{„Leben mit Behinderung“} des Sozialverbands VdK Bayern häufen sich die Anrufe verzweifelter Mütter und Väter.

Ein Dutzend Brillen fremder Menschen haben die Eltern von Maximilian schon bezahlen müssen. Der 16-jährige Junge hat sich aufgrund seiner geistigen Behinderung nicht unter Kontrolle. So reißt er immer mal wieder Spaziergängern die Brille herunter. Er braucht ständig eine Betreuung, auch nachts.

Bisher lebt Maximilian an Schultagen, also montags bis freitags, in einem Internat in München. An Wochenenden und in den Ferien ist er daheim bei den Eltern, die berufstätig sind und insgesamt drei Kinder haben. Ein weiterer Sohn hat eine Behinderung, die aber nicht so stark ausgeprägt ist wie bei Maximilian.

An der Belastungsgrenze

Die Eltern suchen schon seit langem einen Wohnheimplatz für Maximilian, weil sie eine langfristige und dauerhafte Unterbringung für ihn suchen, da sie selbst physisch und psychisch an ihre Grenzen kommen.

„Es fehlt sowohl an Plätzen für junge Erwachsene mit intensivem Betreuungs- und Pflegebedarf als auch an Plätzen in Wohngemeinschaften für Personen, die gern selbstständig leben möchten, aber teilweise Unterstützung brauchen“, berichtet Jan Gerspach, Leiter des Ressorts „Leben mit Behinderung“ beim VdK Bayern. Dies betrifft Menschen mit Körperbehinderung ebenso wie Menschen mit Sinneseinschränkungen oder einer psychischen Behinderung.

Die Probleme sind vielfältig, wie die VdK-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter am kostenlosen Beratungstelefon „Leben mit Behinderung“ erfahren. Eltern berichten beispielsweise über plötzliche Kündigungen von Wohnheimplätzen wegen Personalmangels. „Und auch das Leben in der eigenen Wohnung scheitert oft daran, dass nicht genügend Assistenzen gefunden werden, die die selbstbestimmte Teilhabe in der Gemeinschaft ermöglichen“, erklärt Gerspach.

Zahlen des Bayerischen Landesamts für Statistik verdeutlichen die Misere: Die Zahl der Einrichtungen für Menschen mit Behinderung ist in Bayern von 2016 bis 2020 von 728 auf 705 gesunken, die Zahl der Plätze insgesamt von 31 256 auf 28 076. „Wenn man bedenkt, dass die bayerische Staatsregierung die Einrichtungen verkleinern und mehr ambulant betreute oder gemeinschaftliche Wohnformen schaffen wollte, stellt sich die Frage, warum es insgesamt nicht mehr, sondern sogar weniger Einrichtungen sind“, so Gerspach.

Die bayerische Staatsregierung sieht im Haushalt 2023 zur Förderung von inklusivem Wohnraum für erwachsene Menschen mit Behinderung zehn Millionen Euro vor. Die Freie Wohlfahrtspflege schätzt die Kosten aber auf 1,2 Milliarden Euro. Der VdK fordert die Staatsregierung sowie die Bezirke und Träger großer Einrichtungen auf, deutlich mehr in den Aufbau kleiner und dezentraler Wohnformen zu investieren und durch eine bessere Vergütung mehr Assistenzkräfte zu gewinnen.

Beratungstelefon

Das kostenlose Beratungstelefon „Leben mit Behinderung“ des Sozialverbands VdK Bayern ist montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr sowie zusätzlich donnerstags von 15 bis 18 Uhr zu erreichen unter

Telefon (0 89) 21 17-113
Externer Link:lebenmitbehinderung.bayern@vdk.de
Externer Link:www.vdk.de/bayern/LmB