Aus Niederlagen lernen
Wer Risiken eingeht, kann gewinnen – oder aber scheitern. Misserfolge sind schmerzhaft. Buchautor und Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Christian Rieck erklärt, wie man sie dennoch nutzen kann, um etwas daraus zu lernen.
Rieck hat sich in seinem Buch „Die Kunst des perfekten Scheiterns“ mit Niederlagen befasst. Er unterscheidet zwischen „normalem“ und „perfektem Scheitern“: „Beim ,normalen Scheitern‘ hat man einfach nur Pech. Beim ,perfekten Scheitern‘ hat man auch aktiv etwas dazu beigetragen, das zu dem negativen Ergebnis führt, obwohl man es besser hätte wissen können“, erklärt er.
Dieser Unterschied zwischen den Misserfolgen sei nicht immer leicht zu erkennen. In einem Beispiel veranschaulicht Rieck, was er mit „perfektem Scheitern“ meint: „Stellen Sie sich vor, jemand hat seine gesamte Altersvorsorge in Wirecard-Aktien gesteckt. Die Insolvenz wirkt wie reiner Zufall, aber er hat einen systematischen Fehler gemacht, indem er seine Geldanlage nicht gestreut hatte.“
Verzerrter Blick
Niederlagen sind nicht leicht zu verarbeiten – besonders dann nicht, wenn man selbst seinen Anteil daran hat. „Deshalb neigen wir zum Selbstbetrug“, sagt Rieck. Wenn etwas schiefgegangen ist, versuchen viele Menschen, es auf die äußeren Umstände zu schieben. Läuft es hingegen gut, glauben sie, es sei ihr eigener Erfolg. „Wir haben dadurch einen verzerrten Blick auf die Ursachen des Scheiterns“, erläutert der Experte.
In den vergangenen Jahren hat sich die Sicht auf Misserfolge verändert. Scheitern wird auch als bedeutsame Erfahrung verstanden, die zur persönlichen Entwicklung beiträgt. Doch Niederlagen generell als positiv zu bewerten, ist nach Ansicht von Rieck paradox, da es sich ja doch um vertane Chancen handelt.
Wer nicht wagt, kann nichts verlieren – aber auch nichts gewinnen. „Zum Erfolg gehört immer auch das Eingehen von Risiken. Insofern ist die Chance immer mit dem Misserfolg verbunden“, sagt der Wissenschaftler. Als „Unfug“ bezeichnet er hingegen die Behauptung, man müsse scheitern, um weiterzukommen. „Warum sollte man nur aus eigenen Fehlern lernen?“, fragt er. Ebenso könne man auch aus den Misserfolgen anderer Erfahrungen sammeln. Sich das eigene Scheitern schönzureden, verhindert eher, daraus zu lernen.
Ehrlich zu sich sein
Dennoch: Auch aus negativen Erfahrungen lässt sich etwas Positives ziehen. Damit das gelingt, empfiehlt der Experte, bei der Analyse des Scheiterns ehrlich zu sich zu sein und herauszufinden, wo der eigene Fehler lag und welche Faktoren man nicht beeinflussen konnte. „Nur so hat man überhaupt die Chance, etwas aus der Situation zu lernen“, so Rieck.
Und es gibt eine Konstellation, bei der man tatsächlich das Scheitern braucht, um weiterzukommen: nämlich dann, wenn ein bestimmter Schwellenwert überschritten werden muss, um uns wachzurütteln. „Oft machen wir immer wieder dasselbe und finden das Ergebnis, das sich folglich immer wieder einstellt, einfach nicht schlimm genug, um etwas zu ändern“, erklärt er. Solange es nur minimal vom gewünschten Erfolg abweicht, sei dies kein Problem. „Erst wenn ein erheblicher Misserfolg eintritt, raffen wir uns auf, Änderungen aktiv anzugehen“, sagt Rieck.
Nicht zuletzt kommt es darauf an, wie man rückblickend solche Erfahrungen verarbeitet. Humor, Offenheit und Optimismus können helfen, nach einer Niederlage gestärkt wieder aufzustehen. So gibt es beispielsweise die „Fuck-up-Nights“, bei denen Menschen öffentlich über ihre Misserfolge sprechen. Scheitern als Show sozusagen: „Wenn Sie genau hinsehen, dann sind die Geschichten immer so, dass sich der Erzähler am Ende als irgendwie großartig darstellt. Das Scheitern ist immer nur eine Zwischenstufe auf der Heldenreise zu etwas Großem.“