Die Familie, die vielen das Leben leichter macht
Carmen und Thomas Lechleuthner brachten schnellere Genehmigung von Hilfsmitteln auf den Weg

Mit enormen Einsatz hat das Ehepaar Lechleuthner aus Pfaffenhofen für eine schnellere Gewährung von medizinischen Hilfsmitteln gekämpft. Nicht nur ihr achtjähriger Sohn Korbinian, der dem Sozialverband VdK angehört, sondern auch viele andere Familien in Deutschland profitieren davon.
Korbinian sitzt angeschnallt in seinem Spezialstuhl. Sein Kopf liegt sicher in einer Stütze. Der achtjährige Oberbayer kam mit schwersten Hirnschäden auf die Welt. Er kann nicht gehen, den Kopf nicht selbst halten und nur „Ja“ und „Nein“ sagen. Zusammen mit seinem Vater verfolgt er die ARD-„Sportschau“ und hat großen Spaß dabei. Vor allem, wenn sich sein Papa über seine Lieblingsmannschaft, den FC Bayern München, ärgert, freut er sich diebisch. Korbinian hält beim Fußball zum großen Rivalen Borussia Dortmund.
Spaß am Leben
Nicht nur beim Fußballschauen bekommt Korbinian alles mit. Wenn seine Eltern und seine drei älteren Geschwister sich am Esstisch normal unterhalten, versteht Korbinian fast jedes Wort. Wenn er etwas sagen will, fixiert er mit seinen Augen ein entsprechendes Bild auf seinem Computer, und dieser spricht dann für ihn. Das junge VdK-Mitglied hat zahlreiche Bücher, aus denen er sich gerne vorlesen lässt. Er spielt „Mensch ärgere Dich nicht“, geht mit seiner Familie spazieren und ist auch im Museum mit großem Interesse dabei. „Korbinian hat echt Spaß am Leben“, sagt seine Mutter. Gerne geht er auch in die erste Klasse seiner Schule.
Vor einigen Wochen hatte die Familie großen Grund zu feiern. Im Deutschen Bundestag wurde ein Gesetz verabschiedet, für das das Ehepaar Lechleuthner seit Jahren gekämpft hat. Nach dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz sollen Kinder, Jugendliche und Erwachsene künftig einfacher und schneller ihre dringend benötigten Hilfsmittel erhalten. Dem Gesetz zufolge wird die Erforderlichkeit eines Hilfsmittels vermutet, wenn die oder der Versicherte in einem sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) oder in einem medizinischen Behandlungszentrum für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) behandelt und das Hilfsmittel von Ärztinnen oder Ärzten empfohlen wird.
„Unglaublich erleichtert“
Carmen Lechleuthner war gemeinsam mit anderen betroffenen Familien auf der Besuchertribüne im Bundestag, als das Gesetz durchging. Sie hatten eigentlich nicht mehr damit gerechnet, nachdem die Ampel-Koalition gescheitert war. Entsprechend groß war die Freude. „Wir sind unglaublich erleichtert“, sagt Carmen Lechleuthner. „Uns hat der Kampf für das Gesetz enorm viel Zeit und Kraft gekostet.“ Aber nun freut sie sich für alle, denen das neue Gesetz hilft.
Während der Corona-Pandemie haben Carmen und Thomas Lechleuthner ihre Petition „Stoppt die Blockade der Krankenkassen bei der Versorgung schwerstbehinderter Kinder und Erwachsener“ gestartet. Mehr als 55 000 Stimmen sammelten sie, sodass sich der Petitionsausschuss des Bundestags damit befassen musste.
Die Lechleuthners, die als Ärztin und Arzt tätig sind, waren es leid, für jedes Hilfsmittel, das Korbinian brauchte, monatelang mit der Krankenkasse zu streiten. Spätestens vor dem Sozialgericht bekamen sie immer Recht. „Wir haben uns jedes Mal durchgesetzt“, berichtet sie. Aber immer sei ein enormer zeitlicher und personeller Aufwand auf allen Seiten nötig gewesen.
Carmen Lechleuthner forderte im Zuge der Petition bei ihrer Krankenkasse und beim Medizinischen Dienst die Akten, die Korbinian betreffen, an. 9500 Seiten bekam sie. Das ergibt einen mehr als ein Meter hohen Papierstapel. „Eine sinnlose Vergeudung von menschlichen Ressourcen und auch von Geld“, sagt sie.
Durch das neue Gesetz sollen laut Statistischem Bundesamt jährlich mehr als elf Millionen Euro Bürokratiekosten eingespart werden. Dies war wahrscheinlich ein Fakt, der nach dem Ampel-Aus nun doch noch eine Einigung von SPD, Grüne und FDP brachte.
„Allen geht es mit dem neuen Gesetz besser“, sagt Carmen Lechleuthner. Es bleibt zwar noch viel zu tun. „Aber es war ein erster großer Schritt.“