Kategorie VdK-Zeitung

Auf die eigenen Stärken vertrauen

Von: Elisabeth Antritter

Ansporn oder Druck? In der Leistungsgesellschaft vergleichen sich die Menschen miteinander

Woher kommt das Bedürfnis, sich mit anderen zu vergleichen? Und wenn man sich miteinander misst, wann beeinflusst das den Selbstwert positiv und wann negativ? Psychotherapeutin Dr. Susanne Altweger aus Neuss ordnet das Thema ein und gibt Tipps für einen gesunden Umgang mit Konkurrenz. 

„Sich zu vergleichen, gehört zur normalen Entwicklung: Schon kleine Kinder beobachten die Fähigkeiten Gleichaltriger oder Älterer und probieren, das Verhalten nachzuahmen“, sagt Dr. Susanne Altweger. „Später, in der Schule, werden Noten vergeben – ein klassischer Leistungsvergleich“, so die Expertin. Bereits Grundschülerinnen und -schüler lernen: Ein anderes Kind ist besser. Das sollte Altwegers Ansicht nach dazu anspornen, sich mehr anzustrengen. 

Doch kann das nicht auch für negativen Druck sorgen? Beispielsweise klagen Kinder und Jugendliche häufig darüber, dass sie in der Schule mit zu viel Lernstoff belastet werden. Manche besorgte Eltern fordern deshalb, das Leistungsniveau herunterzuschrauben. Diese Entwicklung beobachtet die Expertin mit Skepsis. „Das ist der Zeitgeist. Doch ich glaube, ein Leistungsvergleich wird immer stattfinden. Und daran finde ich nichts Schlechtes.“ Wenn man etwa sein Talent zeigen kann, ist das gut fürs Selbstbewusstsein. Als Beispiel nennt Altweger Sing- und Musikwettbewerbe, die bei Jugendlichen sehr beliebt sind. Nur die oder der Beste kommt an die Spitze. Sie befürwortet Begabtenförderung und Stipendien, vor allem für junge Menschen aus bildungsfernen Haushalten.

Helden als Vorbild

Einen positiven Einfluss auf das Selbstvertrauen von Kindern und Jugendlichen haben Heldengeschichten, also Idealfiguren, die außergewöhnliche Fähigkeiten besitzen. „Für Carl Gustav Jung, einer der Pioniere der Tiefenpsychologie, sind Mythen und Märchen Teil des kollektiven Unbewussten. Das bedeutet, dass diese Gut-gegen-Böse-Geschichten in unseren Genen liegen“, erklärt die Psychotherapeutin. Es geht um Vorbilder, denen man nacheifern möchte. Heute übernehmen beispielsweise Mangas diese Rolle. 

Bedenklich werden Vergleiche dann, wenn es um Schönheit und Schlankheit geht. „Jugendliche werden von sozialen Medien wie TikTok stark beeinflusst. Vor allem in der Pubertät ist das gefährlich. Das kann ein schlechtes Selbstwertgefühl fördern“, warnt die Expertin. 

Überhaupt zieht es herunter, wenn man sich ständig vergleicht. Stattdessen sollte man sich darauf besinnen, was man gut kann, rät sie. Wer auf die eigenen Stärken vertraut, diese vielleicht sogar ausbaut, ist auf einem guten Weg.

Das Vergleichen hört nie auf. Im Alter gibt es allerdings andere Herausforderungen zu bewältigen als in der Jugend. „Jede und jeder erlebt einen scheinbar unvereinbaren Zustand: Während die körperlichen Anzeichen des Alters sichtbar sind, bleibt das Innere jung.“ Denn jeder Mensch setzt sich aus all seinen Lebensphasen zusammen, erklärt Altweger. Typisch für das Älterwerden ist die Beschäftigung mit der Frage: Was ist mir noch möglich? „Wer dankbar ist, was das Alter zu bieten hat, ist glücklicher“, ist sie überzeugt.