Kategorie VdK-Zeitung Gesundheit

Diabetes wird bei Frauen oft übersehen

Von: Annette Liebmann

Viele Erkrankungen äußern sich bei Frauen anders als bei Männern. Das gilt auch für Diabetes. Prof. Dr. Julia Szendrödi, Vizepräsidentin der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, erläutert die Unterschiede und erklärt, worauf man achten sollte. 

Eine Frau sitzt am Tisch und spritzt sich Insulin in den Arm.
Im Vergleich zu Männern reicht Frauen oft eine niedrigere Insulindosierung. © Imago/Westend61

Bereits die Häufigkeit der Erkrankung variiert bei den Geschlechtern: Vom Typ-1-Diabetes – einer Autoimmunerkrankung, die vorwiegend in jungen Jahren auftritt – sind mehr Jungen als Mädchen betroffen. Zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr erkranken mehr Männer am Diabetes Typ 2. 

Bei diesem „Alterszucker“ bildet die Bauchspeicheldrüse zwar noch geringe Mengen Insulin, aber dieses wirkt oft nicht mehr in den Zellen. Nach der Menopause, die meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr eintritt, steigen bei den  Frauen die Krankheitsraten, und im höheren Alter sind mehr Frauen als Männer an Diabetes erkrankt. 

Die Symptome sind bei beiden Geschlechtern oft ähnlich: Müdigkeit, Schwächegefühl, starker Durst, vermehrter Harndrang, Heißhunger, Sehstörungen, trockene Haut und Infektanfälligkeit. Bei Frauen treten zusätzlich häufiger Harnwegserkrankungen und Pilzinfekte auf. „Typ-2-Diabetes wird bei ihnen im Frühstadium oft nicht bemerkt“, sagt Szendrödi. 

Das liegt unter anderem am Testverfahren: Ein Nüchternblutzuckertest schlägt bei Männern bereits an, wenn die Vorstufe der Erkrankung besteht. Bei vielen Frauen jedoch wird der Prädiabetes nicht entdeckt. Das ist nicht ungefährlich: Bereits in dieser Phase steigt das Risiko für Nerven- und Gefäßerkrankungen, Herzinfarkte und Schlaganfälle.

Um die Erkrankung bei Frauen früher diagnostizieren zu können, empfiehlt Szendrödi bei erhöhtem Risiko einen oralen Glukosetoleranztest. Dieser misst, wie der Körper mit einer größeren Zuckerzufuhr fertig wird. Hilfreich ist auch die Bestimmung des sogenannten HbA1c-Werts. Dabei wird der Blutzuckerverlauf über acht bis zwölf Wochen ausgewertet. 

Höhere Risiken

Nach wie vor sind die meisten medizinischen Studien auf Männer ausgerichtet und nicht ohne Weiteres auf Frauen übertragbar. „Bei Frauen mit Diabetes ist die Gefahr, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu bekommen, größer“, sagt Szendrödi. So liegt das Risiko für einen Herzinfarkt im Vergleich zu Männern um 40 und bei einem Schlaganfall um 25 Prozent höher. 

Auch für die Medikation gelten andere Vorgaben. Frauen leiden oft stärker unter den Nebenwirkungen. Wegen ihres meist niedrigeren Körpergewichts muss die Dosierung der Arzneimittel gegen Diabetes angepasst werden. Manche Medikamente können bei ihnen Harnwegsinfekte verursachen, andere Magen-Darm-Beschwerden oder Osteoporose. Zudem besteht die Gefahr, dass das Insulin zu hoch dosiert wird und sie eine Unterzuckerung bekommen. 

„Nicht zuletzt muss man immer im Blick behalten, in welcher Lebensphase sich die Patientin befindet“, sagt die Ärztin. Die weiblichen Hormone stellen einen gewissen Schutz vor Diabetes dar. Sie erhöhen die Sensitivität für Insulin und wirken sich günstig auf Blutdruck und Blutfette aus. Häufig kommt es aber auch zu zyklusbedingten Schwankungen. Diese Muster können erkannt werden, wenn man die Werte über einen längeren Zeitraum beobachtet. 

Blutzucker aus dem Lot

In der Menopause gerät der Zyklus meist aus dem Lot. „Damit kann der Blutzucker durcheinanderkommen“, erklärt die Diabetologin. Viele Frauen nehmen dann zu. Deshalb sollte auch das Gewicht im Auge behalten werden. Manche Arzneimittel vermindern das Sättigungsgefühl oder begünstigen eine Gewichtszunahme. Diese können durch andere Präparate ersetzt werden. 

Szendrödi spricht sich für eine ganzheitliche Therapie aus: „Die Medikation sollte immer die individuellen Bedürfnisse der Frauen berücksichtigen.“ Auch Sport kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Eine starke Muskulatur kann eine Gewichtszunahme bremsen, weil der Körper besser in der Lage ist, Zucker zu verwerten. Da Diabetes mit dem Risiko verbunden ist, eine Depression zu erleiden, sollte die psychosoziale Situation auf jeden Fall miteinbezogen werden.