Kosten steigen stärker als das Pflegegeld
Ambulante Pflegedienste haben die Preise massiv erhöht – Betroffene müssen immer mehr selbst bezahlen
Die gute Nachricht zuerst: Zu Jahresbeginn wurden die Leistungen der Pflegeversicherung angehoben, darunter auch Pflegegeld und Pflegesachleistung für Menschen, die zu Hause versorgt werden. Die schlechte Nachricht: Die geringen Mehrbeträge reichen nicht aus, um die teilweise eklatanten Erhöhungen von ambulanten Pflegediensten auszugleichen.
Fast ein Drittel mehr verlangt etwa das Bayerische Rote Kreuz (BRK) für Waschen, Anziehen und andere Dienstleistungen. VdK-Mitglied Heinz Mückner aus dem Landkreis Regen, der mithilfe eines ambulanten Pflegediensts seine 97 Jahre alte Mutter versorgt, ist entsetzt: „Im November habe ich eine Mitteilung über eine 30-prozentige Erhöhung bekommen. Demnach hätte ich ab 1. Januar monatlich 700 Euro mehr für die gleichen Leistungen bezahlen müssen“, berichtet er.
Seine Mutter, Pflegegrad 5, hatte vor einigen Jahren einen Schlaganfall und braucht viel Unterstützung. Das meiste macht der 75-Jährige selbst. Nur morgens und abends kommt der Pflegedienst für 15 bis 30 Minuten und übernimmt die Grundpflege. Bis Dezember kam er mit den monatlichen 2200 Euro Pflegesachleistung der Pflegekasse einigermaßen hin, „aber nur, weil ich sie manchmal selber gewaschen und angezogen habe“.
700 Euro mehr
Die Erhöhung der Pflegesachleistung durch die Pflegekasse beträgt lediglich 99 Euro. Das würde die Mehrkosten, die ab Januar 2025 angefallen wären, bei weitem nicht auffangen. Mückner hat zwar viel Verständnis dafür, dass Pflegekräfte gut bezahlt werden sollen, aber das Ausmaß der Preissteigerung hält er für „verrückt“. Er hat sich für einen günstigeren Pflegedienst entschieden, damit seine und die Rente seiner Mutter auch weiterhin zum Leben reichen.
Das BRK begründet die Preissteigerung mit einer bisher unzureichenden Finanzierung, die einen immensen wirtschaftlichen Druck erzeugt habe. Um keine ambulanten Pflegedienste schließen zu müssen, sei die Anpassung der Vergütungssätze überfällig gewesen. BRK-Sprecher Sohrab Taheri-Sohi weist darauf hin, dass nicht nur die Lohnkosten gestiegen sind, sondern durch die Inflation auch die Energie- und Sachkosten.
In einer ähnlichen Situation befindet sich die Caritas. Dort wurden die Vergütungssätze bereits im Oktober 2023 und im März 2024 erhöht. „Entweder wir passen die Preise an, sodass wir bei Null rauskommen, oder wir müssen Pflegedienste schließen“, erklärt Caritas-Sprecher Tobias Utters. Auch in diesem Jahr werde wieder mit den Pflegekassen verhandelt.
Zu Jahresbeginn hat auch die Diakonie ihre Preise kräftig angehoben: im Bereich der Pflege um bis zu 30, im Bereich der Hauswirtschaft um bis zu 45 Prozent. „Für uns ist das ein schwieriger Balanceakt“, sagt Pressesprecher Daniel Wagner. „Einerseits müssen wir angesichts des Fachkräftemangels die Löhne erhöhen, andererseits wissen wir, dass jede Preissteigerung für die Betroffenen schmerzhaft ist.“
Schwer zu verkraften
Eine Erhöhung der Vergütungssätze um fast ein Drittel sei für die Pflegebedürftigen nur schwer zu verkraften, sagt VdK-Pflegeexpertin Yvonne Knobloch. Viele müssen an ihre Ersparnisse, um die häusliche Pflege zu finanzieren. „Manche Betroffene werden nun seltener Pflegedienste beauftragen, weil sie auch das Pflegegeld brauchen, um über die Runden zu kommen“, vermutet sie.
Statt weiterer Beitragssteigerungen für die Pflegebedürftigen Externer Link:fordert der Sozialverband VdK eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung. „Es müssen endlich alle in die gesetzliche Pflegeversicherung einbezogen werden, auch Selbstständige, Beamte sowie Politiker, um die Finanzierung auf eine breitere Basis zu stellen“, so VdK-Präsidentin Verena Bentele.
Was lässt sich tun, wenn der Pflegedienst seine Vergütungssätze anhebt? Grundsätzlich müssen Preiserhöhungen mindestens vier Wochen vor Inkrafttreten schriftlich angekündigt und begründet werden. Oft gibt es ein Sonderkündigungsrecht, von dem man Gebrauch machen kann, um zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Ob es Alternativen gibt, hängt stark von der Region ab, in der man lebt.
Reicht die Pflegesachleistung nicht aus, um die Kosten für die ambulante Pflege zu decken, müssen zunächst die Pflegebedürftigen einspringen. Ist das nicht möglich, können die Betroffenen beim überörtlichen Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege beantragen. Sie müssen ihre Vermögensverhältnisse offenlegen und dürfen ein Schonvermögen von bis zu 10 000 Euro behalten.