Kostenübernahme für VdK-Mitglied Regina
Der VdK hat erreicht, dass der Bezirk Oberbayern die Kosten für eine Assistenzkraft für ein VdK-Mitglied mit Autismus übernehmen muss.
Da Regina Oberst eine Autismus-Spektrum-Störung hat, braucht sie eine Assistenzkraft. Doch im Falle einer zehntägigen inklusiven, erlebnispädagogischen Freizeit will der Bezirk Oberbayern die Kosten für die Individualbegleitung nicht übernehmen. Erst, als die Mutter Irene Oberst mit der Unterstützung des VdK den Klageweg einschlägt, lenkt der Leistungsträger ein.
Die 26-jährige Regina Oberst aus dem oberbayerischen Landkreis Rosenheim lebt in einer Wohngruppe der Stiftung Attl. Im August 2021 nahm sie zehn Tage an einem erlebnispädagogischen Angebot teil. Ihre Mutter Irene Oberst hatte rechtzeitig beim Bezirk Oberbayern die Kostenübernahme von 1700 Euro für die benötigte Assistenzbegleitung beantragt.
Alltag bewältigen
Darin erklärte sie, dass Regina an dem Projekt ohne die Begleitung der ausgebildeten Heilerziehungspflegerin nicht teilnehmen kann, da sie eine Autismus-Spektrum-Störung hat und „Nichtsprecherin“ ist. Die Assistenzkraft hilft ihr dabei, den Alltag während der Freizeit selbstbestimmt zu bewältigen, an der Gemeinschaft teilzuhaben und sich mit Gleichaltrigen zu verständigen. Außerdem betonte Irene Oberst, dass solche freizeitpädagogischen Maßnahmen kognitiv eingeschränkte Menschen wie Regina darin unterstützen, Urlaub individuell und unabhängig von der Behinderteneinrichtung zu gestalten.
Acht Wochen später kam die Antwort, mit der Irene Oberst nicht gerechnet hatte: Der Antrag wurde abgelehnt. In der Begründung hieß es, dass Tochter Regina Leistungen der Eingliederungshilfe durch den Bezirk Oberbayern für soziale Teilhabe und Teilhabe am Arbeitsleben erhält. Weiter verwies der Bezirk Oberbayern darauf, dass der Fachdienst der Einrichtung Attl der Tochter mit qualifizierter Assistenz jederzeit zur Verfügung steht. Deshalb ist die Assistenz außerhalb der Einrichtung nicht notwendig gewesen. Außerdem hätte Regina Oberst die Möglichkeit gehabt, im Wohnheim der Stiftung Attl Urlaub zu verbringen.
Irene Oberst war sprachlos angesichts dieser ablehnenden Haltung und wandte sich im November 2021 an VdK-Kreisgeschäftsführer Dietrich Mehl. Dieser legte Widerspruch ein. Darin floss eine Stellungnahme von Irene Oberst ein, in der sie sich große Mühe gab, dem Leistungsträger einen Einblick in die Lebenswelt ihrer Tochter zu gewähren. Sie legte auch Fotos von Regina bei, die während der inklusiven Freizeit entstanden waren, um zu unterstreichen, wie gut ihr der Aufenthalt getan hat.
Der VdK ergänzte, dass Assistenzleistungen nach dem Willen des Gesetzgebers nach Paragraf 78 Sozialgesetzbuch IX unter anderem die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben einschließlich der Freizeitgestaltung bezwecken sollen. Regina Obersts Wunsch, ihren Urlaub nicht in der Wohngruppe zu verbringen, sondern an der Freizeit teilzunehmen, sei berechtigt gewesen, doch nicht berücksichtigt worden, argumentierte der VdK.
Daraufhin reagierte der Bezirk Oberbayern lange nicht. Erst im September 2022 kam ein Schreiben. Darin wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Irene Oberst war sehr enttäuscht. „Wir lassen nicht locker“, versprach ihr Dietrich Mehl – und klagte gegen die Ablehnung. Darin floss ein neues Urteil des Bundessozialgerichts vom Mai 2022 ein. So stellen Urlaubsreisen ein legitimes soziales Teilhabebedürfnis dar. Das Gericht urteilte, dass die Kosten einer Begleitperson während einer Urlaubsreise zu den Leistungen der Eingliederungshilfe zählen und zu erstatten sind.
Durch dieses BSGkurz fürBundessozialgericht-Urteil wendete sich schließlich das Blatt. Der Rechtsstreit endete im Februar 2024 mit einem Vergleich. Der Bezirk Oberbayern erklärte sich bereit, die Kosten von 1700 Euro in voller Höhe zu übernehmen.
Nicht unterkriegen lassen
VdK-Mitglied Irene Oberst hat vier Kinder, drei davon mit Behinderung. Die Oberbayerin erfährt immer wieder, auch dank ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit als Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen für den Landkreis Rosenheim, dass viele Familien ähnliche Probleme mit Behörden haben.
Doch die wenigsten halten bis zur Klage durch. So dauerte der Rechtsstreit wegen der nicht geleisteten Kostenerstattung für die Assistenzkraft ihrer Tochter Regina zweieinhalb Jahre. „Das ist absolut zermürbend“, sagt die 68-Jährige rückblickend. Ihr ist bewusst, dass die meisten schon viel früher aufgegeben hätten, weil sie nicht die Kraft haben.
Sie ist dem VdK sehr dankbar für die Unterstützung und rät Gleichbetroffenen, sich an den Sozialverband VdK zu wenden. „Es ist mir ein Herzensanliegen, anderen Eltern von Kindern mit Behinderung Mut zu machen, sich nicht unterkriegen zu lassen“, sagt Irene Oberst.