
Teenager behält Merkzeichen „H“
VdK-Mitglied mit Stoffwechselerkrankung darf weiterhin Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen

VdK-Mitglied Klara Bauer* hat Galaktosämie, eine seltene Erkrankung. Auf dem Schwerbehindertenausweis der Jugendlichen ist deshalb das Merkzeichen „H“ (für Hilflosigkeit) notiert. Doch das Versorgungsamt will es ihr mit dem 14. Geburtstag entziehen. Mutter Sandra Bauer* geht erfolgreich gegen das Vorhaben vor: Gemeinsam mit der VdK-Kreisgeschäftsstelle Kaufbeuren-Ostallgäu gelingt es, dass das Merkzeichen „H“ noch bis zum 16. Geburtstag gewährt wird.
Menschen, die von der Stoffwechselerkrankung Galaktosämie betroffen sind, müssen ein Leben lang auf Laktose (Milchzucker) und Galaktose (ein Zucker, der vor allem in Milch und Milchprodukten enthalten ist) verzichten. Denn im Blut würden sich sonst zu viel Galaktose sowie bestimmte Abbauprodukte anreichern. Die Folgen: Durch den schädigenden Einfluss auf Leber und Gehirn könnten Kinder körperliche und kognitive Einschränkungen entwickeln. Um die Gefahren möglichst gering zu halten, müssen Eltern von Anfang an auf eine strikte laktosefreie sowie galaktosearme Ernährung ihres Kindes achten.
Diät alleine bewältigen?
Mit dem Merkzeichen „H“ sind Nachteilsausgleiche verbunden. Nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen ist das Merkzeichen „H“ beim Krankheitsbild Galaktosämie gerechtfertigt – jedoch nur bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. So ist es kein Zufall, dass Sandra Bauer kurz nach dem 14. Geburtstag ihrer Tochter Post vom Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFSkurz fürZentrum Bayern Familie und Soziales) erhält. In dem Schreiben vom 17. Januar 2024 teilt die Behörde ihre Absicht mit, das Merkzeichen „H“ zu entziehen. Das Versorgungsamt geht davon aus, dass ab sofort „keine ständige Überwachung der Diät und engmaschige Kontrolle mehr notwendig ist, da von einer dem Lebensalter entsprechenden geistigen Reife auszugehen ist“.
Die Mutter soll dem Amt eine Stellungnahme vorlegen. Anfang März vergangenen Jahres wendet sich Sandra Bauer an die VdK-Kreisgeschäftsstelle in Kaufbeuren. Sozialrechtsberaterin Alina Krischer ist nach dem Gespräch mit Sandra Bauer überzeugt, dass der Tochter noch keine Eigenverantwortung für eine so komplexe Diät übertragen werden kann. Deshalb rät sie der Mutter, ausführlich zu schildern, wie aufwendig es ist, auf die richtige Ernährung der Tochter zu achten, und welche Risiken damit verbunden sind.
Sandra Bauer schreibt daraufhin für das Amt auf mehreren Seiten nieder, was ein Alltag mit Galaktosämie für eine Heranwachsende bedeutet, und dass es ihr noch nicht zumutbar ist, sich alleine darum zu kümmern.
So ist bei Galaktosämie ein umfangreiches ernährungswissenschaftliches Wissen nötig. Für den täglichen Speiseplan müssen laktosefreie Lebensmittel eingekauft werden. Es gilt, die Zutatenliste sorgfältig zu studieren. Besondere Vorsicht ist bei „versteckten“ Laktose- und Galaktose-Quellen geboten: Einigen Produkten wie Säften, Müslimischungen und Fertiggerichten wird Laktose zugesetzt. Darüber hinaus enthalten manche Arzneimittel wie Tabletten Laktose.
Soziale Isolation
Die Diät bringt soziale Einschränkungen mit sich, die die Schülerin belasten. Mit Freunden Essen zu gehen, ist ebenso schwierig wie ein Besuch von Veranstaltungen. So muss Klara Bauer auf das Skilager verzichten, weil die Küche eine spezielle Diät nicht bereitstellen kann. In der Pubertät sind Jugendliche zudem ablenkbar und verunsichert: „Teenager sind mit sozialen Aktivitäten beschäftigt und übersehen die Anforderungen einer strengen Diät leicht“, beobachtet Sandra Bauer. Ihr Resümee lautet: „Mein Kind braucht auch über das 14. Lebensjahr hinaus Unterstützung bei der Diätführung. Ohne diese besteht das Risiko, dass es langfristige Auswirkungen auf seine Gesundheit erleidet.“
Daraufhin sieht das ZBFSkurz fürZentrum Bayern Familie und Soziales von der Anhörung ab und gewährt das Merkzeichen „H“ bis zum 16. Geburtstag weiter. Sandra Bauer ist dem VdK dankbar für die sozialrechtliche Unterstützung.
*Name von der Redaktion geändert