VdK fördert neue Art des Gedenkens an Kriegsopfer
Wie werden wir 80 Jahre nach Kriegsende den Opfern gerecht? Der VdK beteiligt sich daran, dass sich das Erinnern in der Gedenkstätte Hofkirchen in der Nähe von Vilshofen ändert.

Es ist ein friedlicher Ort. Eulen und Fledermäuse leben in den alten Bäumen, die das sanft zur Donau abfallende Gelände umstehen, berichtet der Gärtner. Alljährlich wird hier am Volkstrauertag der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft gedacht. Veranstalter ist der VdK Vilshofen. Doch das Ritual mit einem Ehrenzug der Bundeswehr ist in die Kritik geraten, nachdem ein Historiker publik machte, dass auch einige SS-Täter hier begraben sind.
Zur Gedenkstätte hat VdK-Kreisvorsitzender Willi Wagenpfeil als langjähriger Bürgermeister von Hofkirchen eine besondere Beziehung. „Wir verschließen uns neuen Erkenntnissen nicht“, betont er. Auch Andreas Königer ist als Oberstleutnant der Reserve nicht nur bei der Volkstrauertagsfeier aktiv. Der Geschichtslehrer am Wilhelm-Diess-Gymnasium in Pocking machte 2024 in Kooperation mit dem Landratsamt, dem VdK und dem Volksbund den Friedhof zu einem Biografieprojekt der 9. Klassen.
Auf Spurensuche
Eine der Aufgaben des Exkursionstags war die Grabpflege. Auf kleinen Platten im Rasenfeld stehen die Namen, Geburts- und Sterbedaten der 2770 Begrabenen – soweit diese bekannt sind. „Die Schülerinnen und Schüler kamen im Tun immer mehr ins Nachdenken. Wer liegt hier? Wie hat dieser Mensch gelebt?“, berichtet Königer. In der Schule hatten sich die Klassen zuvor einige Biografien der Bestatteten vorgenommen. Sie recherchierten, was sich nach so langer Zeit noch herausfinden ließ.

Eine der 72 beerdigten Frauen ist Hannelore Lachmann. Sie starb am 29. April 1945 mit 22 Jahren. Von ihrem Heimatort Greifswald wurde die Lazarettschwester 1944 über Österreich nach Aholming in Niederbayern geschickt. Mehr war nicht herauszubekommen. Doch Willi Wagenpfeil erinnerte sich an Rosemarie Neumann. Zufällig wusste er, dass sie dabei war, als ihre damals gleichaltrige Kollegin Hannelore Lachmann starb. Er bat die Zeitzeugin um Unterstützung.
5. Juni 2025: In der Aula des Wilhelm-Diess-Gymnasiums, in der heute alle 10. Klassen sitzen, ist es still. Die 102-jährige Rosemarie Neumann erzählt von diesem Tag kurz vor Kriegsende: Bereits zuvor war sie immer wieder knapp dem Tod entkommen. Die SS beschoss im Schutz des Lazaretts mit dem roten Kreuz auf den Dächern die amerikanischen Soldaten. Die Krankenschwestern suchten Zuflucht in einem Kellerabteil des späteren Rathauses in Aholming. Neumann legte sich hinter eine mit Löschwasser gefüllte, gusseiserne Wanne, Lachmann davor. Schon durchschlug eine Granate der US-Armee die Wände. „Hannelore war sofort tot. Auch alle anderen starben. Ich war die einzige Überlebende. Die Badewanne hat mich gerettet.“ Lachmann und weitere fünf tote Lazarettschwestern wurden erst in Aholming, später in der heutigen Gedenkstätte bestattet.
Rosemarie Neumann überlebte den Krieg, stand aber vor dem Nichts. In ihre Heimat Breslau konnte sie nicht mehr zurück. Ihre Familie und ihr Verlobter waren im Krieg gestorben. Wie sie sich als alleinstehende junge Frau in Niederbayern weiter durchschlug, nach einem verweigerten Medizinstudium als Lehrerin in Vilshofen Fuß fasste und sich mit ihrem Schicksal versöhnte, davon erzählt sie ihrem jungen Publikum. Eine Botschaft liegt ihr am Herzen: „Frieden ist kein Geschenk des Himmels, ihr müsst ihn machen. Liebe füreinander und Respekt in der kleinsten Gemeinschaft, zwischen den Völkern sind wichtig.“
Die Gedenkstätte Hofkirchen will das beherzigen und ein Lernort werden. Die erarbeiteten Biografien sind dafür die Grundlage. Infotafeln, eine Broschüre, eine digitale und auch eine künstlerische Aufbereitung sind in Umsetzung, um ein differenziertes Gedenken zu ermöglichen.
Der VdK-Landesverband will sich an den Kosten des Projekts beteiligen. „Der VdK ist dem Frieden verpflichtet, nicht dem Krieg“, unterstreicht Willi Wagenpfeil. Zum Volkstrauertag 2025 wird die Umgestaltung vorgestellt. Rosemarie Neumann möchte dabei sein.