Bentele: „Menschen mit Behinderung sind strukturell benachteiligt“
- Das Benachteiligungsverbot wird 30 Jahre nach Aufnahme ins Grundgesetz nicht konsequent umgesetzt
- Wer im Wahlkampf punkten will, sollte Barrierefreiheit jetzt angehen
Vor 30 Jahren, am 15. November 1994, trat das Benachteiligungsverbot als Ergänzung zu Artikel 3 des Grundgesetzes in Kraft. Darin heißt es: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Doch der Sozialverband VdK sieht auch jetzt, 30 Jahre später, dass dieser Artikel zu oft missachtet wird.
„Menschen mit Behinderung sind nach wie vor strukturell benachteiligt“
, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Inklusion findet zu oft unzureichend statt – sei es auf dem Arbeitsmarkt oder in der Schule. Dazu kommt fehlende Barrierefreiheit in vielen alltäglichen Situationen: Menschen mit Behinderung können beispielsweise nach wie vor nicht uneingeschränkt den öffentlichen Nah- und Fernverkehr nutzen, eine Arztpraxis ihrer Wahl besuchen oder in jedem Geschäft einkaufen.“
In einigen Punkten hat die Grundgesetzänderung gefruchtet: Aus dem Verbot sind die Behindertengleichstellungsgesetze von Bund und Ländern hervorgegangen, und auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGGkurz fürAllgemeines Gleichbehandlungsgesetz) konkretisiert den Schutz vor Diskriminierung zum Beispiel wegen einer Behinderung. Doch weitere Schritte, die gegangen werden müssten, etwa eine Verpflichtung von privaten Anbietern von Gütern und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit, wie es der VdK schon lange fordert, fehlt nach wie vor. Und auch die Reform des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGGkurz fürBehindertengleichstellungsgesetz) liegt auf Eis.
„Die künftige Regierung muss dringend dafür sorgen, dass die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung aufhört. Von mehr Barrierefreiheit und Inklusion profitieren schließlich alle in der Gesellschaft, nicht zuletzt ältere Menschen“
, sagt Bentele. „Auch Menschen mit Behinderung schauen ganz genau auf den Wahlkampf und darauf, wer sich für ihre Belange einsetzen wird. Sie sind es leid, dass sie sich immer wieder hintenanstellen müssen und Jahr um Jahr auf die Verwirklichung ihrer Rechte warten. Der richtige Zeitpunkt, um die nötigen Reformen anzugehen, ist jetzt.“