Kategorie VdK-Zeitung

„Auf Reisen zu sein, gab ihr Kraft“

Von: Elisabeth Antritter

Palliativmediziner Professor Dr. Martin Neukirchen begleitete seine unheilbar erkrankte beste Freundin um die halbe Welt

Dankbar für die gemeinsame Zeit: Martin Neukirchen (links) 2019 auf einer seiner Reisen mit Sandra (rechts). Er hat seine schwerkranke beste Freundin in verschiedene Länder begleitet. Unterwegs zu sein, war für sie pure Lebensfreude und lenkte sie oft von der Erkrankung ab.
Dankbar für die gemeinsame Zeit: Martin Neukirchen (links) 2019 auf einer seiner Reisen mit Sandra (rechts). Er hat seine schwerkranke beste Freundin in verschiedene Länder begleitet. Unterwegs zu sein, war für sie pure Lebensfreude und lenkte sie oft von der Erkrankung ab. © privat

Es ist eine berührende Geschichte: Der Palliativmediziner Martin Neukirchen erzählt im Gespräch von seiner besten Freundin Sandra, die im Mai 2020 mit 40 Jahren an Brustkrebs starb. Drei Jahre vor ihrem Tod beschloss die Ärztin, sich von ihrer schweren Krankheit nicht die Freude am Abenteuer nehmen zu lassen. Und so starteten die beiden unternehmungslustigen Freunde gemeinsam eine Reiseserie, die sie bis nach Australien und Hawaii führte.

Oahu. Eine Insel im Zentralpazifik, die zu Hawaii gehört. Das ist der Ort, an dem sich Sandra einen Lebenstraum erfüllt. „Sie wollte dort unbedingt Meeresschildkröten am Strand beobachten. Die riesigen Reptilien haben sie schon immer fasziniert“, erzählt Martin Neukirchen. Beide sind seit dem Medizinstudium eng befreundet. Während sie Kardiologin wurde, entschied er sich, als Palliativmediziner zu arbeiten. Er leitet heute das Interdisziplinäre Zentrum für Palliativmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf.

Beruflich begegnet Martin Neukirchen dem Sterben jeden Tag: „Der Tod ist auf unserer Station alltäglich. Dennoch war ich schockiert, als Sandras Krebs nach fünf Jahren zurückkam. Sie war erst 37, und es hatten sich bereits Metastasen gebildet. Mir war klar, dass ihr nicht mehr viel Zeit bleibt. Ich rechnete damals mit höchstens einem Jahr“, erinnert er sich.

Nicht einigeln

Für Martin Neukirchen war es selbstverständlich, sich während der Krebsbehandlung um seine Freundin zu kümmern. „Montags war ihr Chemotherapie-Tag. Ich reduzierte meine Arbeitsstunden, um bei ihr zu sein.“

„Sandra war nicht der Typ, der sich zu Hause einigelt. Sie hatte Sehnsucht zu reisen“, erzählt der Palliativmediziner. Er war schon früher mit ihr unterwegs gewesen. Beide waren neugierig, neue Länder und Kulturen kennenzulernen. Sie überlegten, welche Ziele auf ihrer Wunschliste stehen und fingen an zu planen. Ganz oben standen Hawaii und die Meeresschildkröten. Sie buchten den Flug. Weitere Abenteuertouren in ferne Länder wie Island, Marrakesch und Australien folgten. Andere Ziele waren nicht ganz so weit weg wie Österreich und Portugal.

Als Sandras bester Freund sagt Martin Neukirchen im Rückblick: „Trotz Herausforderungen war jede Reise es wert. Bei Rückschlägen half es ihr immer, weiterzuplanen. Wir kehrten nie zurück nach Deutschland, ohne schon die nächste Tour geplant zu haben. Das gab ihr Kraft. Für Sandra war Reisen ein Lebenselixier.“ 

Aus dem prognostizierten einen Jahr wurden letztlich noch drei bewegte Jahre. Für die gemeinsame Zeit ist Martin Neukirchen dankbar. „Kurz vor Sandras Tod waren wir in den Niederlanden. Wir standen mit einem Wohnmobil am Strand mit Blick aufs Meer. Ihre Kraft schwand zunehmend. Ich erwartete schon, dass sie dort ihre letzten Atemzüge nehmen würde. Doch sie starb, als wir wieder in Deutschland waren, bei mir zu Hause im Dachgarten.“

Reisen für Kranke

Professor Dr. Martin Neukirchen ist Vorstandsmitglied bei der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und ermutigt unheilbar kranke Menschen, sich Reisewünsche zu erfüllen. Am besten mit einer Begleitperson.