Einfach nur zuhören
Ein kleines, grünes Holzhäuschen am Stephansplatz im Glockenbachviertel soll dazu beitragen, dass sich die Menschen in München weniger einsam fühlen. Im Zuhörraum schenken geschulte Ehrenamtliche den Besucherinnen und Besucher Gehör.
Das Angebot ist kostenlos. Jede und jeder darf vorbeikommen, und wer mag, bekommt auch einen Espresso. Träger ist der gemeinnützige Verein „momo hört zu“. Die Idee dazu hatte Initiator Michael Spitzenberger. Als er von einem ähnlichen Projekt in Hamburg erfuhr, wusste er: „Das ist es! Zuhören ist eine Schüsselkompetenz für Beziehungen“, betont er. „Das zentrale Problem unserer Gesellschaft ist fehlende Zeit.“ Gegenseitiges Verständnis und das Miteinander blieben in der Hektik und im Stress des Alltags oft auf der Strecke.
Zuhören will gelernt sein
Im Zuhörraum gibt es nicht nur eine knallrote Espressomaschine und eine runde, gemütliche Sitzbank, sondern auch jede Menge Zeit. Hier leiht jeweils einer von insgesamt 37 Ehrenamtlichen den Vorbeikommenden sein Ohr, ohne etwas zu bewerten oder ungebetene Ratschläge zu erteilen.
„Das ist nicht immer einfach“, bekennt Beate Strobel. Sie hat eine zehnwöchige Schulung bei „momo hört zu“ durchlaufen und gelernt, zuzuhören und Fragen zu stellen, statt Antworten zu geben. Die meisten Menschen tragen die Lösung ihrer Probleme bereits in sich, weiß sie. „Während sie darüber reden, wird ihnen ihr Weg immer klarer.“
Strobel hat das schon erlebt: „Eines Tages kam eine junge Frau in den Zuhörraum. Sie stand vor einer wichtigen Entscheidung. Während unseres einstündigen Gesprächs ist ihr bewusst geworden, wozu sie sich entschließen soll. Am Schluss hat sie sich voller Freude bedankt und mich umarmt.“
„Unser Verstand ist ständig gefordert und bekommt eine Fülle an Informationen“, erläutert Spitzenberger. Um die Gedanken zu sortieren und Entscheidungen zu treffen, ist eine Gesprächspartnerin oder ein Gesprächspartner hilfreich. „Dabei lernt man, alles, was einen bewegt, nach außen zu tragen. Das fördert Verhalten, das auch für die persönlichen Beziehungen wertvoll ist.“ In der Schulung üben die Ehrenamtlichen zudem, sich trotz Empathie abzugrenzen.
Der Zuhörraum ersetzt keine Therapie. Es handelt sich um ein niedrigschwelliges Gesprächsangebot, bei dem die Ehrenamtlichen den Menschen Zeit, Wertschätzung und Gemeinschaft schenken. In den Gesprächen geht es oft um Einsamkeit. So auch bei einer älteren Dame, die bei Beate Strobel ihr Herz ausschüttete: „Sie pflegte ihren Mann rund um die Uhr und fühlte sich sehr einsam. Als ich gefragt habe, ,Wie geht es Ihnen?‘, fing sie zu weinen an. Ihre Kinder wollte sie nicht mit ihren Sorgen belasten. Bei mir konnte sie ihren Frust und Ärger loswerden.“
Auch für junge Menschen
Nicht nur ältere Menschen finden im zwei Quadratmeter großen Raum ein offenes Ohr. Auch Kinder und Jugendliche interessieren sich für dieses ungewöhnliche Projekt: „Einmal kamen zwei Mädchen vorbei und wollten wissen, was ich hier mache“, erinnert sich Spitzenberger. „Als ich erklärt habe, dass ich einfach nur zuhöre, waren sie begeistert. Im Gespräch stellte sich heraus, dass sie ihr ganzes Leben lang bewertet werden.“ Umso erfreuter waren sie nun, dass ihnen Spitzenberger ganz wertfrei zuhörte.
Der Zuhörraum ist Montag bis Freitag von 12 bis 18 Uhr besetzt. Weitere Infos unter Externer Link:www.momohoertzu.de.