Kategorie VdK-Zeitung Pflege

Guter Schlaf ist teuer

Von: Anette Liebmann

In Bayern gibt es bisher kaum Nachtpflege-Angebote

In der Nachtpflege werden Pflegebedürftige über Nacht betreut und versorgt. Am nächsten Morgen kehren sie wieder nach Hause zurück. Für pflegende Angehörige kann das eine große Hilfe sein – endlich können sie mal wieder durchschlafen. Doch in Bayern gibt es bislang kaum Angebote.

Seit fünf Jahre pflegt Anja Ostler* ihre Mutter. Die 95-Jährige hat Pflegegrad 4, sitzt im Rollstuhl, ist schwer dement und vor allem nachts aktiv. „Zwischen 1 und 6 Uhr ist bei uns meist Remmidemmi“, erzählt Anja Ostler. „In der Früh bin ich dann k.o. und weiß nicht, wie ich den Tag überstehen soll.“

Seit langem sucht sie eine Pflegeeinrichtung, die Nachtpflege anbietet. Doch die Zahl der Nachtpflegeplätze ist rar – und teuer: Ein Verein im Münchner Westen etwa rechnet über die Verhinderungspflege ab. Hinzu kommen die Kosten für einen Fahrdienst. „Eine Nacht kostet so schnell mal bis zu 200 Euro“, schätzt Ostler.

Am liebsten wäre es ihr, die Mutter nicht nur für eine Nacht, sondern auch für den darauffolgenden Tag in eine Einrichtung geben zu können, um mal richtig durchschnaufen zu können. „Wir pflegenden Angehörigen werden im Stich gelassen“, sagt Ostler. Das zeige sich in der trotz steigender Preise nur geringen Anhebung von Pflegegeld und Pflegesachleistung, in der Bürokratie bei der Beantragung von Leistungen, am komplizierten System der unterschiedlichen Leistungen, die – werden sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht abgerufen – verfallen. Ein Topf, in dem alle Angebote zusammengefasst sind, wäre ihrer Ansicht nach die bessere Lösung.

Modellprojekte geplant

In Bayern bieten lediglich einige Vereine Nachtpflege an. Pflegeeinrichtungen mit diesem Angebot kann das bayerische Gesundheitsministerium auf Nachfrage nicht benennen. Geplant sind derzeit zwei Modellprojekte zur eingestreuten Nachtpflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen. Diese sollen wissenschaftlich begleitet werden. Sind die Ergebnisse vielversprechend, könnte sich daraus ein Konzept für ein Nachtpflegeangebot ergeben, sagt eine Sprecherin des Ministeriums.

Ziel sei es, die pflegerische Versorgungsstruktur insbesondere im Hinblick auf Barrierefreiheit, Wohnortnähe und dem erwarteten Anstieg der Demenzerkrankungen auszubauen und zu verbessern, damit pflegebedürftige Menschen so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können. Die Schaffung von Nachtpflegeplätzen sei ein Baustein dabei.

Die Pflegesituation in Bayern spitzt sich immer mehr zu. Grund dafür ist ein massiver Personalmangel sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Pflege. Neben freien Pflegeplätzen fehlt es vor allem an Fachkräften in Einrichtungen, die pflegende Angehörige für mehrere Stunden oder Tage entlasten.

Im Auftrag des Sozialverbands VdK hat die Hochschule Osnabrück die bislang größte Studie zur häuslichen Pflege in Deutschland durchgeführt. Die meisten der 56.000 Befragten gaben an, sich mehr Entlastungsangebote wie Tages- und Nachtpflege (61 Prozent), Kurzzeitpflege (77 Prozent) oder Verhinderungspflege (84 Prozent) zu wünschen.

„Menschen brauchen dringend Unterstützung – und zwar eine, die auch wirklich zur Verfügung steht, zu ihren Bedürfnissen passt und sie unbürokratisch erreicht“, kommentiert VdK-Präsidentin Verena Bentele die Ergebnisse der Befragung.

*Name von der Redaktion geändert