Mit vereinten Kräften für Gleichberechtigung
Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern hat in Deutschland Verfassungsrang. Das ist der Verdienst der Politikerinnen Friederike Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel. Ihre Parteizugehörigkeit war dabei Nebensache.
Es gibt richtig was zu feiern: Unser Grundgesetz, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, wird 75 Jahre alt. Ich darf beim Festakt in Berlin dabei sein. Das ist wirklich eine sehr große Ehre für mich.
Ab 1948 tagte im Schloss Herrenchiemsee der Parlamentarische Rat. Dort steckten 61 Männer und nur vier Frauen die Köpfe zusammen. Doch während sich die Herren teilweise im Gezänk um Klein-Klein verloren, vereinten Friederike Nadig, Elisabeth Selbert, Helene Weber und Helene Wessel ihre Kräfte. Diese vier werden die „Mütter des Grundgesetzes“ genannt.
Für mich sind sie Vorbilder. Denn nur ihrer vereinten Anstrengung jenseits aller Partei- und Machttaktik ist zu verdanken, dass in Artikel 3 des Grundgesetzes der schlichte wie wichtige Satz steht: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Die Herren des Parlamentarischen Rats wollten lieber eine schwammige, heißt unverbindliche Formulierung. Deshalb: abgelehnt.
Doch sie hatten die Frauen gewaltig unterschätzt. Die Sozialdemokratinnen Elisabeth Selbert und Frieda Nadig überzeugten Helene Weber (CDUkurz fürChristlich Demokratische Union) und Helene Wessel (Deutsche Zentrumspartei), gemeinsam aktiv zu werden. Andere Konflikte wurden vertagt. Jetzt ging es um etwas Wichtigeres. Zusammen organisierten sie einen breiten öffentlichen Protest über alle Parteien und Glaubensrichtungen hinweg. So landeten beim Parlamentarischen Rat zwischen Dezember 1948 und Januar 1949 waschkörbeweise Briefe von Frauen, die in der Verfassung ihres neuen jungen Landes den Gleichheitsgrundsatz der Geschlechter klar und unmissverständlich festgeschrieben haben wollten. Und so geschah es.
Wenn heute die Ampelfarben in Berlin wild durcheinander blinken und in vielen politischen Debatten nur Schwarz oder Weiß gelten sollen, würde ich gerne die guten Geister dieser vier Frauen heraufbeschwören – und mit ihnen eine Sternstunde der Demokratie. Einer guten Sache ist gedient, wenn eigene Befindlichkeiten auch mal zurückgestellt werden. Danke an euch Frauen, die ihr das klugerweise schon 1949 bewiesen habt.