Kategorie VdK-Zeitung Pflege Gesundheit

Neue Richtlinie schafft Versorgungslücke

Von: Annette Liebmann

Nicht mehr alle, die eine sogenannte Außerklinische Intensivpflege brauchen, bekommen sie noch verordnet

Ein junges Mädchen liegt im Bett und wird von ihrer Mutter medizinisch versorgt.
Manche Kinder schweben nicht ständig in Lebensgefahr, brauchen aber dennoch intensive medizinische Versorgung. © imago/Cultura

Mit der Einführung der Außerklinischen Intensivpflege-Richtlinie (AKI-RL) im Oktober 2023 ist eine Versorgungslücke entstanden. Der bislang berechtigte Personenkreis wurde eingeschränkt, die Kostenbeteiligung für pflegende Angehörige ist gestiegen, und es gibt nicht genügend Ärztinnen und Ärzte, die Verordnungen ausstellen.

Lea Hübners Sohn Tim* ist aufgrund einer Stoffwechselerkrankung schwerstbehindert. Der Fünfjährige kann weder laufen noch sprechen, kaum hören und sehen und hat epileptische Anfälle. Tim muss rund um die Uhr gepflegt werden. Nun bangen die Eltern, die noch zwei weitere kleine Kinder haben, darum, dass sie auch weiterhin außerklinische Intensivpflege (AKI) genehmigt bekommen. Denn diese wird nach der neuen AKI-RL nur gewährt, wenn täglich lebensbedrohliche Situationen auftreten – und das ist bei Kindern wie Tim nicht der Fall. Sie fallen in einen Graubereich.

„Unser Sohn hat schwere Schlafstörungen, heftige Schreianfälle und erbricht sich häufig. Aber für die Intensivpflege müsste es ihm noch schlechter gehen“, sagt Lea Hübner. Bisher kommt eine Nachtschwester, damit die Eltern, die beide berufstätig sind, nachts schlafen können. Sollte diese Unterstützung gestrichen werden, wissen beide nicht, wie es weitergehen soll.

Die AKI war bis 2023 Bestandteil der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie. Mit ihrer Ausgliederung und der Einführung einer eigenen AKI-RL wurden einige Patientengruppen vergessen. Damit entfällt laut Medizinischem Dienst die Grundlage für die notwendige medizinische Überwachung von Patientinnen und Patienten wie Tim.

Klage kann helfen

Nicht nur schwerstbehinderte Kinder sind von der Neuregelung betroffen, sondern auch Kinder und Jugendliche, die zum Beispiel wegen einer Diabetes-Erkrankung eine ständige Überwachung ihres Blutzuckerspiegels benötigen. Die Krankenkassen verweisen darauf, dass diese Aufgabe von den Trägern der Eingliederungshilfe übernommen werden soll, und diese verweisen zurück an die Krankenkassen.

Betroffene und deren Angehörige können den Leistungsanspruch am Sozialgericht einklagen. Es kann ein einstweiliger Rechtsschutz eingelegt werden. Das heißt, die Leistung wird bis zum Urteil weiter genehmigt. Mittlerweile liegen einige Musterurteile vor, überwiegend zugunsten der Versicherten.

Mit den neuen Kostenabgrenzungs-Richtlinien sind auch die Eigenanteile für häusliche Pflege teurer geworden. Besonders betroffen sind Menschen, die eine 24-Stunden-Pflege brauchen. Grundpflege und Intensivpflege werden streng voneinander getrennt. So schildert Daniela Jahn, deren schwerbehinderter Sohn Atemunterstützung bekommt: „Das Absaugen übernimmt die Pflegekraft, das Mundabwischen mache ich.“

Jahn bemängelt, dass Betroffene wie ihr Sohn nun alle sechs Monate eine neue ärztliche Verordnung brauchen. Ebenso oft wird geprüft, ob er von der künstlichen Beatmung entwöhnt werden kann. Dazu muss sie mit ihm zu zwei verschiedenen Fachärzten fahren, die mehrere Stunden entfernt sind. Immerhin hat sie Ärzte gefunden. Denn wie sich herausgestellt hat, reicht die Zahl der dafür zugelassenen Fachärzte nicht aus. 

*Namen von der Redaktion geändert

Eine Frau am Computer, sie telefoniert über ein Headset. Im Hintergrund sieht man Aktenordner.

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