Kategorie VdK-Zeitung Gesundheit

Training hilft dem Rücken

Von: Petra J. Huschke

Bandagen, Massagegeräte, Tapes und Co. können nur eine Ergänzung sein

Auf dem Foto sieht man eine Physiotherapeutin (links), die neben einer Patientin, die ein Theraband mit beiden Händen vor sich hält und auf einem Gymnastikball sitzt, kniet.
Die eigene Muskulatur zu kräftigen, ist das beste Mittel, um Rücken- und Nackenbeschwerden vorzubeugen. In Physiotherapiepraxen arbeitet dafür geschultes Personal. © pixabay/mann Pradhan

Von Schmerzen in Rücken, Schulter und Nacken wird fast jeder mal geplagt. Massagegeräte, Softorthesen, Haltungstrainer wie Rückengurte, kinesiologische Tapes oder Bandagen versprechen hier schnelle Abhilfe – zumindest laut Werbung. Orthopäden vermissen hier aber einen ganzheitlichen Ansatz. Vor allem bei chronischen Beschwerden ist der Gang zum Arzt ein Muss. Und am besten ist es immer noch, durch Training die Muskulatur zu stärken.

Discounter oder Online-Händler bewerben Geräte wie Massagepistolen oder Nackenkissen sehr erfolgreich. Mit Kabel oder Akku betrieben, sollen sie Verspannungen und Schmerzen beseitigen und die Körperwahrnehmung verbessern. Gurte über oder unter der Kleidung sowie Bandagen sollen dazu verhelfen, eine bessere Körperhaltung einzunehmen. 

Wellnessprodukte

Doch das sind Wellnessprodukte, sie ersetzen keine medizinischen Behandlungen. Das betonen Experten wie Prof. Dr. Frank Braatz, Vorsitzender der DGOU-Sektion Vereinigung Technische Orthopädie (VTO) und  Leiter Schwerpunkt Orthobionik an der Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Plastische Chirurgie der Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität. Braatz, der auch eine Professur für medizinische Orthobionik (PFH) hat, sagt: „Einfach ohne Beratung ein Hilfsmittel zu kaufen, das sehe ich kritisch. Vor allem bei lang anhaltenden Beschwerden ist es dringend erforderlich, dass ein Facharzt für Orthopädie oder Unfallchirurgie aufgesucht wird und die Patientinnen und Patienten entsprechend beraten werden.“

Man könne Hilfsmittel, die man gekauft hat, ja mitnehmen und zeigen und darüber mit dem Facharzt diskutieren. Wenn notwendig, könne man eine weitere Diagnostik für den Rücken und die Wirbelsäule machen. Braatz: „Wichtig ist, ein Gesamtkonzept für den eigenen Rücken, für die eigene Haltung zu finden, was Physiotherapie, Sitzschulung, Haltungsschulung sein kann.“ Der bewährte Weg sei hier die fachärztliche Praxis, die ein Rezept ausstellt, mit anschließendem Gang zur Physiotherapie oder zum Sanitätshaus.

Fachexpertise

„Eine Bandage oder auch andere Hilfsmittel wie leichte Mieder mit Stretchmaterialien, die den Körper von außen stabilisieren und eine Rückmeldung für die Haltung geben, können dann durchaus Verwendung finden. Das Gleiche gilt für Softorthesen, Rückengurte oder Kinesio-Tapes. Die haben schon ihre Daseinsberechtigung“, sagt Braatz. Es gebe Menschen, die gut darauf ansprechen. „Aber sie sollten das nicht im Alleingang bestellen, und nicht vom Discounter oder einem Internetanbieter.“ Braatz: „Allein schon die Anpassung, die Spannung und die Beratung, wie lange soll ich es tragen, sind Dinge, die man im Sanitätshaus besprechen kann. Medizinische Hilfsmittel setzen Fachexpertise voraus.“ 

Es gebe zum Beispiel das Krankheitsbild einer Verengung des Spinalkanals, der in der Wirbelsäule läuft. Dieser kann aus verschiedenen Gründen eingeengt sein. Hier habe man mit Bandagen schon gute Erfahrungen gemacht. „Die Position der Wirbelsäule kann man einstellen. Dadurch verbessert sich die Engstelle bei Patienten, die nicht operiert werden können oder wollen.“ Doch auch hier stehe an erster Stelle die richtige Diagnostik bis hin zu Röntgenuntersuchungen und Schichtuntersuchungen, also CTkurz fürComputer-Tomographie oder MRT. 

Grundsätzlich müsse man unterscheiden zwischen Beschwerden, die von Verspannungen ausgehen und nur vorübergehend sind, wie nach einem langen Tag am Bildschirm oder nach langen Autofahrten, und chronischen Schmerzen, die von einem Bandscheibenvorfall, Verschleißerscheinungen oder einer Osteoporose herrühren können. Letztere sind oft von lang anhaltenden Beschwerden im Nackenbereich, im Kreuz, im Lendenwirbelbereich oder im Hals-Wirbelsäulenbereich mit Ausstrahlung in die Arme geprägt.

Muskulatur aufbauen

Nichts verkehrt macht, wer die Muskulatur kräftigt – und das am besten schon in jungen Jahren. Sportvereine, ein Fitnessstudio mit geschultem Personal, wo man ordentlich eingewiesen wird, und Gesundheitszentren seien hier eine gute Wahl, so Braatz. Schon bei Kindern und Jugendlichen solle man darauf achten, eine vernünftige Balance zu finden zwischen Schularbeiten, Spielen am Computer und ausreichender Bewegung. Erwachsenen tue es gut, in den Tag mehrere Pausen einzuplanen und den Arbeitsplatz rückenfreundlich einzurichten. 

Und wenn man schon heftige Beschwerden hat? „Dann sollte man schmerzfreie Intervalle prophylaktisch zum Muskelaufbau nutzen oder mit Sporttherapeuten Übungen besprechen“, rät Braatz. „Das Training sollte auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sein. Mit welcher Frequenz mache ich es, was sind Warnzeichen, wann ist zu viel trainiert?“ All diese Fragen müssten geklärt werden. 

Und noch ein Tipp: Tennisbälle oder auch Igelbälle mit ihren Noppen bieten eine kostengünstige Massage. Beides hilft, Stress und Anspannung abzubauen und die Durchblutung zu fördern. Sie eignen sich vor allem zur Entspannung von Nacken- und Schultermuskeln.