Kompliziert geht auch leicht: Zu Besuch im Büro für Leichte Sprache in Bogen
Doris Komorowski kämpft mit Wort und Schrift für mehr Teilhabe. Sie übersetzt Texte für das Büro für Leichte Sprache in Bogen und arbeitet dabei mit Menschen, die Lernschwierigkeiten haben. Das Projekt ist in Niederbayern einzigartig.
Tamara P. beugt sich über ein sechsseitiges Papier, das vor ihr auf dem Tisch liegt, daneben liegen Markierstifte. Dann liest sie konzentriert den Text in Leichter Sprache zum Thema Mobilitätshilfe. Ihre Stirn kräuselt sich. Sie bleibt an der Abkürzung „SGB IX“ hängen und unterstreicht die Stelle. Für die 25-Jährige steht fest: Das ist ein fremder Begriff, der erklärt werden muss.
Mutig sein
Jeden Mittwoch treffen sich die Prüferinnen und Prüfer des Büros für Leichte Sprache. Seit das Projekt vor einem Jahr ins Leben gerufen wurde, ist das Team auf sechs Mitglieder angewachsen. Heute sind neben Tamara P. auch Carola Wagner und Gabi Novak mit von der Partie. Alle drei sind in der Eustachius-Kugler-Werkstatt in Straubing beschäftigt und freuen sich jede Woche auf neues Lesefutter. Ihre Mission: schwierige Begriffe zu finden.
„Es braucht Mut, ein Wort anzustreichen, denn dann gibt man ja zu, dass man etwas nicht versteht“, kommentiert Ulrike Altweck. Sie studiert Heilpädagogik im sechsten Semester und begleitet die kognitiv leicht beeinträchtigten Prüferinnen. Übungen, die das Selbstbewusstsein stärken, gehören deshalb zum Einstieg jeder Sitzung dazu. Dieses Mal werden zu Beginn Mutmach-Karten verteilt. Auf einer ist eine Rakete abgebildet, darunter der Spruch: „Du kannst alles schaffen.“
Tamara P. betont, dass es ihr Spaß macht, „dem Fehlerteufel auf die Spur zu kommen“. Das sei ähnlich reizvoll wie Rätsellösen. Carola Wagner ist von der Aufgabe ebenfalls begeistert. Die 20-Jährige ist inzwischen ausgebildete Prüferin für Leichte Sprache. Sie weiß, dass sie sich mit ihrer Tätigkeit für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung einsetzt. „Wenn ich beim Lesen alles verstehe, bin ich nicht auf die Hilfe anderer angewiesen“, sagt sie.
Doris Komorowski, aus deren Hand die Informationen in Leichter Sprache stammen, ist bei der heutigen Besprechung ausnahmsweise dabei. Die zertifizierte Übersetzerin für Leichte Sprache wendet sich voll des Lobes an ihr Team: „Ich freue mich jedes Mal, wenn ihr etwas findet. Nur so werden meine Erklärungen auch gut. Ihr seid die Profis. Ohne euch geht‘s nicht.“ Carola Wagner, Tamara P. und Gabi Novak lächeln ein bisschen verlegen, sehen aber stolz aus.
Aktion Mensch fördert
Die Sozialarbeiterin erzählt, dass sie und ihr Kollege Anton Vetterl die informativen Texte nach den Regeln des „Netzwerks Leichte Sprache“ verfassen: größere Schrift, einfache Wörter. Wichtig sind auch Bilder. Das Projekt wird von der Aktion Mensch bis Ende 2027 mit einer Anschubfinanzierung gefördert.
Die Prüferinnen unterhalten sich darüber, wo sie im Alltag häufig die Erfahrung machen, dass Wissen und Informationen nicht allen Menschen zugänglich sind. Etwa an der Bushaltestelle. Oft stehen auf einem Plan eine Menge Infos, die Schrift ist zu klein. Viele sind überfordert, wenn sie einen neuen Personalausweis beantragen, beim Arzt ein Formular ausfüllen oder bei einer Bank ein Girokonto eröffnen möchten. Und was sind Vorzeigebeispiele? Für Carola Wagner ist es eine Fußball-App, die in Leichter Sprache entwickelt worden ist. Außerdem gibt es immer mehr Literatur in Leichter Sprache.
„Übersetzungsprogramme, die künstliche Intelligenz nutzen, gibt es bereits, und sie werden zukünftig die Arbeit für uns Übersetzerinnen und Übersetzer übernehmen“, ist sich Doris Komorowski sicher. „Doch wenn man sich die Kosten für die Prüferinnen und Prüfer spart, ist die beste Übersetzung nicht viel wert“, gibt sie zu bedenken.