VdK Bayern mahnt Staatsregierung zur Vernunft bei der Krankenhausreform
Der Sozialverband VdK zieht auf seiner Sommerpressekonferenz sozialpolitische Bilanz. Im Mittelpunkt stand dabei die Krankenhausreform.
Auf seiner Sommerpressekonferenz in München hat der Sozialverband VdK Bayern vor den großen Ferien sozialpolitische Bilanz gezogen. Im Mittelpunkt der Ausführungen von Verena Bentele, bayerische VdK-Landesvorsitzende und Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, stand dabei die Externer Link:Krankenhausreform. VdK-Landesgeschäftsführer Michael Pausder stellte die Verbandsentwicklung vor. Der Sozialverband VdK Bayern zählt aktuell mehr als 816.000 Mitglieder.
„Bayern hat den Anspruch, ein soziales Bundesland zu sein. Leider verliert sich die aktuelle Politik der Staatsregierung oft in einer grundsätzlich oppositionellen Haltung zur Bundesregierung, gepaart mit einer Neigung, den Erfolg im Populismus zu suchen“, sagte Verena Bentele. Sie warf der Staatsregierung vor, notwendige strukturelle Veränderungen in der Krankenhauslandschaft Bayerns zu blockieren und mit dieser Haltung, die Versorgungssicherheit auf Dauer zu gefährden. Dass es Veränderungen geben muss, sei völlig unstrittig, so Bentele. Die meisten Bundesländer sind deshalb längst in konkretere Planungen für die Umgestaltung gegangen, etwa Nordrhein-Westfalen. Bayern wartet immer noch ab.
Viele kleine Kliniken in Bayern
„Der kalte Strukturwandel könnte hier schnell Fakten schaffen“, warnte Bentele. 80 Prozent der bayerischen Kliniken rechnen 2024 mit roten Zahlen. Schließungen, Verkäufe an private Träger oder Fusionen finden längst statt. Die bayerische Krankenhauslandschaft ist von kleinen Häusern dominiert. 144 der insgesamt 351 Häuser haben weniger als 100 Betten. „Im Süden des Freistaats stehen zudem erheblich mehr Kliniken als im Norden. So gibt es trotz eigentlich insgesamt ausreichender Zahl an Klinikbetten tatsächlich unterversorgte Regionen in Bayern“, so Bentele.
Sie kritisierte die Staatsregierung für die Anhebung des Krankenhausförderetats von 643 auf 800 Millionen Euro in dieser politischen Phase des Umbruchs: „Das sind Steuergelder, die in Bauvorhaben einzelner Kliniken fließen, die den notwendigen Umstrukturierungen durch die Krankenhausreform möglicherweise nicht standhalten werden. Das ist Verschwendung.“
Ein „Einfach weiter so“ gefährdet die Versorgung
Der VdK spricht sich nicht pauschal für Klinikschließungen aus, betonte Bentele, sondern für eine sachliche Bestandsaufnahme: „Einziger Gradmesser für uns ist, was für Patientinnen und Patienten gut ist. Sie haben ein Recht auf eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung. Das von der Staatsregierung gerade praktizierte ‚Einfach weiter so‘ wird den Menschen in Bayern auf Dauer schaden.“ Die Ängste in der Bevölkerung um den Wegfall einer zuverlässigen Notfallversorgung müsse man jedoch ernst nehmen: „Wir fordern, die geplanten integrierten Notfallzentren, bestehend aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle, flächendeckend zu installieren und dafür die Chancen der Telemedizin, aber auch einer erweiterten Luftrettung zu nutzen.“
Positiv vermerkte Bentele in ihren weiteren Ausführungen, dass die Staatsregierung zwei VdK-Forderungen zur Landtagswahl umsetzen will: die Einführung eines bayerischen Gehörlosengelds und die Einrichtung einer Fachstelle für Barrierefreiheit. Sie appellierte an die Staatsregierung, Barrierefreiheit als Querschnittsaufgabe zu begreifen und nahm insbesondere das Bauministerium in den Blick: „Es geht ja um die gebaute Umwelt, die den Menschen mit Behinderung wortwörtlich im Weg steht. In die bayerische Bauordnung muss endlich die strenge Verpflichtung zum barrierefreien Bauen aufgenommen werden.“ Weitere VdK-Forderungen, vom Recht auf einen Tagespflegeplatz, dem Sozialticket für 29 Euro bis zum Tariftreuegesetz, gab sie der Staatsregierung mit auf den Weg in die Ferien.
Bentele fordert mehr Sachlichkeit in den Debatten
Für die Bundesregierung geht es nach deren Sommerpause in das letzte Jahr vor der Bundestagswahl. „Ein scharfer Ton ist der Grundsound der Ampelregierung. Wir vermissen gerade in der Sozialpolitik das konstruktive Ringen um gute Lösungen“, so Bentele. Dies sei auch eine Ursache für die aus VdK-Sicht etwas enttäuschende sozialpolitische Bilanz: „Von ambitionierten und wichtigen Vorhaben wie der Kindergrundsicherung ist nur noch die Hülle übriggeblieben. Wesentliche Elemente der Reform von Hartz IV zum Bürgergeld werden gerade nach und nach wieder einkassiert. Die Pflegeversicherung ist im schweren Fahrwasser. Das Rentenpaket II verspricht nur in Teilen Stabilität und Fortschritt.“
Bentele sieht die wachsende gesellschaftliche Spaltung mit Sorge und fordert steuerpolitische Maßnahmen: „Dass Arme gegen noch Ärmere ausgespielt werden, alarmiert mich besonders. Diese Gegensätze sind konstruiert, sie spalten bewusst. Sie vernebeln die Diskussion und lenken von unserem eigentlichen Problem ab, der mangelhaften bis fehlenden Umverteilung von oben nach unten.“
VdK Bayern setzt Zeichen gegen Rechtsextremismus
Landesgeschäftsführer Michael Pausder hob in seinem Statement den Einsatz des VdK Bayern gegen Rechtsextremismus hervor. Im Januar und Februar 2024 waren VdK-Kreis- und -Ortsverbände an rund 60 Protestveranstaltungen gegen das Erstarken rechtsextremer Kräfte beteiligt. In bayernweiten Bündnissen setzt der VdK Bayern ein klares Zeichen für Demokratie und Solidarität. Pausder stellte klar: „Wir können jederzeit unser Potenzial von über 800.000 Mitgliedern aktivieren, falls der rechte Wind wieder stärker bläst. Der Schrecken von Krieg und Diktatur in Deutschland hat gerade uns als ehemalige Kriegsopferorganisation gelehrt, dass wir unsere Werte verteidigen müssen.“ Deshalb gelte der Grundsatz: „Wer in der AfD aktiv ist, darf keine Funktion im VdK ausüben.“
Als starker Sozialverband erfährt der VdK in Bayern große Wertschätzung. Im Schnitt werden täglich 200 Menschen in Bayern VdK-Mitglied, mehr als 816.000 Mitglieder zählt der VdK Bayern aktuell. Mit den Mitgliederzahlen steigen auch die Beratungszahlen in den VdK-Geschäftsstellen: Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 hat die Zahl bearbeiteter Klagen um 22 Prozent, die der Widersprüche um 14 Prozent und die der Berufungen und Anträge um jeweils 6 Prozent zugenommen. Pro Arbeitstag werden 1500 Beratungen, 450 Anträge, 150 Widersprüche und 45 Klagen bearbeitet.
Rente und Pflege im Mittelpunkt
Der größte Teil der Beratungen dreht sich um Rentenangelegenheiten. Im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr haben sich die Beratungen und Verfahren zur Pflegeversicherung fast verdoppelt. Insbesondere wenn es um die Einstufung in Pflegegrade geht, hilft der VdK Bayern seinen Mitgliedern immer häufiger. „Wir hatten sogar einige Extremfälle, in denen aus 0 Punkten Pflegegrad 3 oder 4, in einem Fall sogar 5 wurde. Betroffen sind leider vor allem alte Menschen, die sehr lange auf die ihnen zustehenden Leistungen warten müssen“, kritisierte Pausder. Die Beratungsthemen der Mitglieder zeigten, dass der VdK Bayern in seinem Einsatz für eine zukunftssichere Altersvorsorge und eine gute Pflegeversicherung auf dem richtigen Weg ist.