Kategorie VdK-Zeitung

Orte der Begegnung

Von: Annette Liebmann

Auch in der „Weltstadt mit Herz“ gibt es Menschen, die sich einsam fühlen. Um Orte der Begegnung zu schaffen, hat die Stadt München 25 Parkbänke als „Ratschbankerl“ ausgewiesen. 

Auf dem Foto sieht man eine 22-jährige Jurastudentin und eine 91-jährige Seniorenstudentin auf einer Parkbank sitzen.
Einfach so ins Gespräch gekommen sind diese 22-jährige Jurastudentin und die 91-jährige Seniorenstudentin. © VdK Bayern/Annette Liebmann

Vorbild sind die „Schwätzbänkle“, die in mehr als 20 Städten Baden-Württembergs bei einem Aktionstag des Landesseniorenrats gegen Einsamkeit aufgestellt wurden. Das niedrigschwellige Angebot soll es erleichtern, miteinander ins Gespräch zu kommen und neue Kontakte zu knüpfen. Nach der Corona-Pandemie haben sich viele Menschen einsam gefühlt. Das war der Anlass für das eintägige Projekt. Auch das Münchner Ratschbankerl soll der Einsamkeit entgegenwirken und für mehr Lebensqualität in der bayerischen Landeshauptstadt sorgen. 

Über die Stadt verteilt

„Die 25 Bänke sind über die ganze Stadt verteilt. In jeder Sozialregion – das heißt, jeweils im Bereich eines Sozialbürgerhauses – gibt es eine“, erzählt Daniela Bauer, Mitarbeiterin im städtischen Sozialreferat. Die Standort-Auswahl sei zusammen mit den Bezirksausschüssen, Sozialbürgerhäusern und den Alten- und Service-Zentren erfolgt. „Die Bänke sind gut sichtbar und liegen im Schatten oder Halbschatten, damit man sich dort gut aufhalten kann“, so die Mitarbeiterin der Landeshauptstadt weiter. „Sie sind mit einem gelben Schild mit der Aufschrift ,Ratschbankerl‘ und einem QR-Code beziehungsweise der Internetadresse gekennzeichnet.“ Auf der Webseite unter Externer Link:stadt.muenchen.de/infos/ratschbankerl erhält man eine Übersicht über die Standorte und weitere Infos, auch über das jeweils zuständige Sozialbürgerhaus.

Noch ist das Angebot relativ unbekannt. Das liegt auch daran, dass nicht überall das Schild mit der Aufschrift „Ratschbankerl“ einfach zu finden ist. So etwa am Sankt-Anna-Platz im Lehel, wo der Wochenmarkt das Bankerl verdeckt. Oder in der Au, wo zwei mit Graffiti beschmierte Bänke nicht gerade zum Verweilen einladen. 

Am Geschwister-Scholl-Platz vor der Ludwig-Maximilians-Universität hingegen ist zwar das versprochene Ratschbankerl nicht zu finden, aber Kontakte knüpfen ist hier einfach. So haben sich eine 22-jährige Jurastudentin und eine 91 Jahre alte Seniorenstudentin gerade eben auf einer Bank kennengelernt und tauschen sich aus. „Über Religion und die Menschen“, erzählen sie. Beide wollen ihren Namen nicht nennen. Von einem Ratschbankerl haben sie noch nie gehört. „Aber wir hätten auch keines gebraucht, wir sind einfach so ins Gespräch gekommen“, sagt die Ältere.

Gut genutzt wird das Ratschbankerl an der Schwanthalerhöhe: Hier treffen sich mehrere ältere Damen aus den umliegenden Häusern täglich, um sich aus ihrem Alltag zu erzählen. Ihre Wohnanlage wird umgebaut, berichten sie, und während der Bauarbeiten ist der Innenhof, wo sie sich früher getroffen haben, gesperrt. 

„Gestern waren wir zu neunt“, sagt eine der Frauen in Münchner Dialekt. Heute sind sie nur zu dritt, doch der Gesprächsstoff geht ihnen nicht aus. „Die Bauarbeiten, Kochen, die Politik, die uns ned passt, und wia's früher war“, zählt eine 82-Jährige die Themen auf. „Die Leut‘ ausrichten tun wir ned“, betont sie. Meist treffen sie sich zwischen 13 und 17 Uhr. Immer in ihren Rollatoren mit dabei haben sie Leckerlis für die vorbeikommenden Hunde. Sie sitzen im Park, „weil uns sonst die Decke auf'n Kopf fallt“, sagt eine 88-Jährige. „Und ma lernt Leut‘ kennen.“ 

Anschluss gefunden

Das bestätigt auch eine 83-Jährige. Vor drei Jahren ist ihr Mann gestorben. Auf dem Ratschbankerl hat sie Anschluss an die Nachbarinnen gefunden und sich ein kleines Netzwerk aufgebaut, in dem man sich auch mal gegenseitig hilft. Der Winter, da sind sich alle drei einig, ist eine schwierige Zeit, weil sie nicht rausgehen können. Um die zu überbrücken, treffen sie sich manchmal auch bei einer von ihnen zu Hause.