Kategorie Sozialpolitik Arbeit & Berufsleben

Zehn Jahre Mindestlohn - ein Erfolgsmodell

Von: Niklas Bieber

Wer arbeitet, sollte von seinem Lohn gut leben können. Dieser Grundsatz sollte im Sozialstaat unumstritten sein. Ein angemessener Mindestlohn kann das gewährleisten. 

Vor zehn Jahren führte die Politik einen Mindestlohn von damals 8,50 Euro ein. Dringend notwendig war das vor allem, weil der Niedriglohnbereich Anfang der 2000er-Jahre durch die Ausweitung von Minijobs und schlecht bezahlten Dienstleistungsjobs sowie durch sinkende Tarifbindung immer größer wurde. Die Agenda 2010 und die Einführung von Hartz IV verschärften die Lage, da Arbeitssuchende durch die verschlechterte finanzielle Situation prekäre Arbeitsbedingungen hinnehmen mussten.

Vor diesem Hintergrund ist auch ein wirklich existenzsicherndes Bürgergeld zu sehen: Es kann verhindern, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausbeuterische Arbeitsverhältnisse eingehen müssen, und stärkt ihre Verhandlungsposition für bessere Arbeitsbedingungen. Ein gutes Bürgergeld kommt dementsprechend insbesondere denjenigen zugute, die für niedrige Löhne arbeiten. Ausbeuterische Arbeitsverhältnisse gibt es in Deutschland auch weiterhin, je nach Quelle erhalten rund ein bis zwei Millionen Menschen in Deutschland den gesetzlichen Mindestlohn nicht. Es wird schlicht zu wenig kontrolliert, um Verstöße einzudämmen.

Statt das Bürgergeld als Schutz vor schlechten Arbeitsbedingungen zu sehen, dominiert in der öffentlichen Debatte die Frage: Lohnt es sich überhaupt noch zu arbeiten? Anstatt zu hinterfragen, ob niedrigste Löhne akzeptabel sind, werden dann häufig jegliche ergänzend zum Lohn zustehenden Leistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag ignoriert, um schiefe Vergleiche anstellen zu können. Interessanterweise fand diese Debatte vor Einführung des Bürgergelds und der Mindestlohnerhöhung 2022 auf 12 Euro nicht statt. Ein einfacher Vergleich zeigt: Der Mindestlohn stieg von 9,50 Euro 2021 auf 12,82 Euro 2025 – ein Anstieg um 34,9 Prozent. 

Im Vergleich dazu erhöhte sich das ALG II beziehungsweise Bürgergeld lediglich um 26,2 Prozent (von 446 auf 563 Euro). Der Abstand hat sich in den vergangenen Jahren also vergrößert. Berücksichtigt man auch Faktoren wie Unterkunftskosten und Wohngeld, ergibt sich ein vergleichbares Bild: Der Unterschied zwischen Mindest-lohn und Bürgergeld ist deutlich größer geworden. Je nach Haushaltszusammensetzung und Mietkosten ergeben sich verschiedene Werte. Unterschiede zwischen 500 und 800 Euro verfügbares Einkommen monatlich scheinen jedoch nach Berechnungen des Portals Sozialpolitik für die meisten Haushalte realistisch.

Positive Entwicklung durch den Mindestlohn

Zurück zum Mindestlohn: Vier Millionen Menschen verdienten vor der Einführung 2015 unter 8,50 Euro pro Stunde und profitierten direkt von der Einführung. Viele warnten vor dem Mindestlohn, er werde zu weit verbreiteter Arbeitslosigkeit führen. Das ist nicht geschehen. Stattdessen wurden viele Minijobs in sozialversicherungspflichtige Stellen umgewandelt – ein klarer Erfolg des Mindestlohns. Eine weitere positive Entwicklung bis heute ist eine sinkende Niedriglohnbeschäftigung (von 21 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse 2014 auf 16 Prozent 2024), da der Mindestlohn auch für höhere Löhne im knapp darüber liegenden Bereich sorgt. In der Folge sank auch die Lohnungleichheit zwischen Beziehenden hoher und niedriger Einkommen.

Ist also alles gut? Nicht ganz. Der Mindestlohn liegt 2025 bei 12,82 Euro pro Stunde. Davon kann, gerade in teuren Wohngegenden, niemand gut leben. Für den VdK ist zudem entscheidend: Der Mindestlohn muss am Ende eines langen Arbeitslebens auch zu einer gesetzlichen Rente über Grundsicherungsniveau führen. Als internationaler Richtwert für den Mindestlohn gelten 60 Prozent des mittleren Lohns, diesen Wert schlägt auch die EU vor. Nach beiden Grundsätzen müsste der Mindestlohn auf rund 15 Euro steigen, das fordert auch der VdK. Ob die Mindestlohnkommission, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, aber tatsächlich einen Mindestlohn von 15 Euro für 2026 festlegt, bleibt abzuwarten. Der VdK wird darauf drängen, wenn sie sich im Juni 2025 das nächste Mal trifft. Auch die neue schwarz-rote Bundesregierung hält 15 Euro Mindestlohn 2026 laut ihrem Koalitionsvertrag zumindest für „erreichbar".