
Eine Sammlung ohne Hindernisse
Stadtmuseum Deggendorf ist bayernweit Vorreiter für Inklusion – Führungen in Gebärdensprache per App

Münchnerinnen und Münchner sind verwöhnt, wenn es um Kunst geht, denn die Landeshauptstadt hat viel zu bieten. Doch auch kleinere bayerische Städte stechen mit kulturellen Schmankerln hervor. In Sachen Inklusion ist das Stadtmuseum Deggendorf ein leuchtendes Beispiel. Vor fünf Jahren hat das Haus begonnen, sich für alle Menschen zu öffnen. Ein Besuch zeigt: Mission geglückt.
Anja Fröhlich öffnet die App, die eigens für das Stadtmuseum Deggendorf entwickelt wurde. Drei Sprachauswahl-Buttons erscheinen auf ihrem Handydisplay. „Das Besondere daran ist, dass Gäste sich die Inhalte nicht nur in Deutsch und Englisch, sondern auch in Gebärdensprache anschauen können“, sagt die Museumsleiterin. Mit solchen technischen Anwendungen möchte das Museum erreichen, dass die Ausstellungen allen Besucherinnen und Besuchern zugänglich sind. Während gehörlose Menschen sich auf digitale Touren begeben können, durch die ein Gebärdensprachdolmetscher führt, navigieren sehbehinderte Menschen mit einem Screenreader durch die App.
Anja Fröhlich, die 2022 die Leitung übernommen hat, berichtet, dass ihre Vorgängerin Birgitta Petschek-Sommer bei der Umgestaltung des Stadtmuseums vor fünf Jahren den Schwerpunkt auf Inklusion gelegt hat.
Damals suchte das Museum einen Hausmeister. Dass sich Uwe Schäfer auf diesen Job bewarb, erwies sich als Glücksfall. Denn der gehörlose Mann sorgt nicht nur dafür, dass im Museum alles funktioniert, sondern hilft nebenbei auch, barrierefreie Angebote zu verbessern.
„Uwe Schäfer erweitert unsere Sicht“, ist die Erfahrung von Anja Fröhlich. Sie ist überzeugt, dass Menschen mit Behinderung das Betriebsklima verbessern, und hofft, dass viel mehr Betriebe einen inklusiven Weg gehen. Ihr Appell an Arbeitgeber: „Die Chancen sehen, nicht die Probleme.“
Ein typisches Beispiel ihrer Zusammenarbeit, das beiden sofort einfällt, betrifft die digitale Technik. Die Museums-App wird regelmäßig mit inklusiven Inhalten gefüllt. „Da gab es ein GIF in Gebärdensprache, das ich hochgeladen hatte. Uwe Schäfer sollte es testen. Also zeigte ich ihm die Datei und wollte von ihm wissen, ob er versteht, was da gebärdet wird. Daraufhin schüttelte er verständnislos den Kopf. Zuerst wunderte ich mich. Doch dann merkte ich selbst, wo der Fehler lag: Durch das Format in der App waren die gestikulierenden Hände des Dolmetschers sozusagen abgeschnitten worden, also unsichtbar. Das war mir als hörender Mensch nicht aufgefallen“, sagt sie und tauscht lächelnd einen Blick mit ihrem gehörlosen Mitarbeiter. Beide müssen immer noch schmunzeln, wenn sie an den Fauxpas denken.
Hände frei beim Tasten
Gehörlose Menschen sind auch dank Uwe Schäfer zum treuen Stammpublikum geworden, freut sich Anja Fröhlich. Erst gestern bei der Eröffnung einer neuen Ausstellung waren wieder interessierte Mitglieder der Gehörlosen-Community dabei. Selbstverständlich hat das Stadtmuseum dafür gesorgt, dass eine Gebärdensprachdolmetscherin vor Ort war. Unter die Gäste hatte sich auch VdK-Mitglied Faith Antretter gemischt. Die Ehefrau von Deggendorfs VdK-Kreisvorsitzendem Oliver Antretter ist ebenfalls gehörlos und weiß zu schätzen, dass das Museum alle an Kultur teilhaben lässt.

Im Stadtmuseum gibt es zudem Beschreibungen in Einfacher Sprache. Ein Blindenleitsystem und Kontrastfarben ermöglichen es sehbehinderten Menschen, sich in den Räumen zu orientieren. An den Stationen mit Tastmodellen befinden sich Blindenstockhalter, damit beide Hände für einen unbeschwerten Kunstgenuss frei sind. Wer mit Rollstuhl und Rollator kommt, profitiert vom barrierefreien Zugang. Sitzgelegenheiten gibt es überall. Und über Mitmachstationen freuen sich nicht nur Kinder.
Das Stadtmuseum Deggendorf ist Mitglied im Netzwerk „Museen inklusive in Bayern“. Mehr Infos unter Externer Link:stadtmuseum.deggendorf.de
